Michel nach dem März von Heinrich Heine

So lang ich den deutschen Michel gekannt,
War er ein Bärenhäuter;
Ich dachte im März, er hat sich ermannt
Und handelt fürder gescheuter.
 
Wie stolz erhob er das blonde Haupt
Vor seinen Landesvätern!
Wie sprach er – was doch unerlaubt –
Von hohen Landesverräthern.
 
Das klang so süß zu meinem Ohr
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Wie mährchenhafte Sagen,
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Ich fühlte, wie ein junger Thor,
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Das Herz mir wieder schlagen.
 
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Doch als die schwarz-roth-goldne Fahn’,
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Der alt germanische Plunder,
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Aufs Neu’ erschien, da schwand mein Wahn
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Und die süßen Mährchenwunder.
 
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Ich kannte die Farben in diesem Panier
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Und ihre Vorbedeutung:
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Von deutscher Freiheit brachten sie mir
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Die schlimmste Hiobszeitung.
 
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Schon sah ich den Arndt, den Vater Jahn –
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Die Helden aus andern Zeiten
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Aus ihren Gräbern wieder nah’n
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Und für den Kaiser streiten.
 
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Die Burschenschaftler allesammt
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Aus meinen Jünglingsjahren,
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Die für den Kaiser sich entflammt,
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Wenn sie betrunken waren.
 
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Ich sah das sündenergraute Geschlecht
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Der Diplomaten und Pfaffen,
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Die alten Knappen vom römischen Recht,
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Am Einheitstempel schaffen –
 
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Derweil der Michel geduldig und gut
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Begann zu schlafen und schnarchen,
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Und wieder erwachte unter der Hut
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Von vier und dreißig Monarchen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Michel nach dem März“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
182
Entstehungsjahr
1848–1851
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Der Autor des vorgelegten Gedichts ist Heinrich Heine, ein deutscher Dichter des 19. Jahrhunderts, bekannt für seine Lyrik und Prosa. Das Gedicht „Michel nach dem März“ ist wahrscheinlich in der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden, möglicherweise im Kontext der Revolution von 1848, einer Zeit politischer und sozialer Veränderungen in Deutschland.

Beim ersten Lesen fällt ins Auge, dass das Gedicht politisch gefärbt ist und eine soziale oder politische Kritik darstellt. Der „deutsche Michel“, eine personifizierte Darstellung des durchschnittlichen Deutschen oder des nationalen Charakters Deutschlands, ist die Hauptfigur des Gedichts. Das lyrische Ich erzählt von seinen Erfahrungen und Beobachtungen mit „Michel“ und seiner Wahrnehmung von politischen Ereignissen.

Inhaltlich wirft das Gedicht einen kritischen Blick auf die politischen Zustände Deutschlands in jener Zeit. Die verschiedenen Strophen vermitteln die nicht erfüllten Hoffnungen des lyrischen Ichs auf politische Veränderung und Freiheit. Das lyrische Ich betrachtet die Wiederholung alter Muster (wie die Wiederkehr veralteter Symbole und die Wiederaufnahme traditioneller politischer Haltungen) mit Verwunderung und Enttäuschung. Es beschreibt das Verhalten des „Michels“, der geduldig und ruhig bleibt und erneut „unter der Hut von vier und dreißig Monarchen“ schläft.

Formal besteht das Gedicht aus neun vierzeiligen Strophen. Die Sprache des Gedichts ist verständlich und direkt, mit gelegentlichen Ironien und satirischer Schärfe. Es nutzt wiederkehrende Bilder und Symbole, wie die Farben Schwarz-Rot-Gold (ein Zeichen der Revolution) und die Figur des „Michel“. Heines Wortwahl und die Struktur des Gedichts tragen dazu bei, den ernsten Ton und die kritische Aussage des Gedichts zu unterstreichen.

Zusammengefasst interpretiert, ist dieses Gedicht eine kritische Reflexion Heines auf die politischen Zustände in Deutschland während der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es drückt Enttäuschung und Kritik an der Wiederholung der Geschichte und dem Mangel an politischer Veränderung und Freiheit aus. Als literarische Reaktion auf seine Zeit ist es ein Beispiel für Heines politisches Engagement und seine Fähigkeit, soziale und politische Themen in seiner Lyrik zu behandeln.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Michel nach dem März“ ist Heinrich Heine. 1797 wurde Heine in Düsseldorf geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1851. Der Erscheinungsort ist Frankfurt, a.M.. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 182 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 9 Strophen. Heinrich Heine ist auch der Autor für Gedichte wie „Almansor“, „Als ich, auf der Reise, zufällig“ und „Alte Rose“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Michel nach dem März“ weitere 535 Gedichte vor.

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