Verleugnung der Welt von Andreas Gryphius

1.
Was frag ich nach der welt! sie wird in flammen stehn:
Was acht ich reiche pracht: der Todt reißt alles hin!
Was hilfft die wissenschafft/ der mehr denn falsche dunst?
Der liebe Zauberwerck ist tolle Phantasie:
Die wollust ist fürwar nichts alß ein schneller Traum;
Die Schönheit ist wie Schnee'/ diß Leben ist der Todt.
 
2.
Diß alles stinckt mich an/ drumb wündsch ich mir den Todt!
10 
Weil nichts wie schön vnd starck/ wie reich es sey/ kan stehn
11 
Offt/ eh man leben wil/ ist schon diß Leben hin.
12 
Wer Schätz' vnd Reichthumb sucht: was sucht er mehr alß dunst.
13 
Wenn dem/ der Ehrenrauch entsteckt die Phantasie.
14 
So traumt jhm wenn er wacht/ er wacht vñ sorgt im traum.
 
15 
3.
16 
Auff meine Seel/ auf! auf! entwach auß diesem traum/
17 
Verwirff was jrrdisch ist/ vnd trotze Noth vnd Todt!
18 
Was wird dir/ wenn du wirst für jenem throne stehn/
19 
Die welt behülfflich seyn? wo dencken wir doch hin?
20 
Was blendet den verstandt? soll dieser leichte dunst
21 
Bezaubern mein gemüth mit solcher Phantasie?
 
22 
4.
23 
Biß her! vnd weiter nicht! verfluchte Phantasie!
24 
Nichts werthes Gauckelwerck. Verblendung-voller traum/
25 
Du schmertzen-reiche Lust! du folter-hartter Todt!
26 
Ade! ich wil nunmehr auf freyen Füssen stehn
27 
Vnd tretten was mich tratt! Ich eyle schon dahin;
28 
Wo nichts als warheit ist. Kein bald verschwindent dunst.
 
29 
5.
30 
Treib ewig helles Licht der dicken Nebel dunst
31 
Die blinde Lust der welt: die tolle Phantasie
32 
Die flüchtige begierd' vnd dieser gütter traum
33 
Hinweg vnd lehre mich recht sterben vor dem Todt.
34 
Laß mich die eitelkeit der Erden recht verstehn
35 
Entbinde mein gemüth/ vnd nimb die Ketten hin.
 
36 
6.
37 
Nimb was mich vnd die welt verkuppelt! nimb doch hin
38 
Der Sünden schwere Last: laß ferner keinen dunst
39 
Verhüllen mein Gemütt/ vnd alle Phantasie
40 
Der Eitel-leren welt sey für mir alß ein traum/
41 
Von dem ich nun erwacht! vnd laß nach diesem tod
42 
Mich vnerschrocken Herr/ für deinem Andlitz stehn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.1 KB)

Details zum Gedicht „Verleugnung der Welt“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
311
Entstehungsjahr
1616 - 1664
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Verleugnung der Welt“ ist Andreas Gryphius. Im Jahr 1616 wurde Gryphius in Glogau geboren. In der Zeit von 1632 bis 1664 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Barock zugeordnet werden. Gryphius ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Barock stammt vom portugiesischen Wort „barroco“ ab und bedeutet so viel wie „schiefrunde Perle“. Die Bezeichnung für barock als Adjektiv wurde zunächst abwertend gebraucht. Der Begriff Barock als Bezeichnung für eine Epoche setzte sich erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts durch und gibt der Literaturepoche zwischen 1600 und 1720 den Namen. Mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) erlebte das Deutsche Reich einen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verfall. Etwa ein Drittel des deutschen Volkes kam in der Zeit ums Leben. Dafür waren nicht etwa hohe Verluste im Krieg verantwortlich, sondern das Wüten der Pest in nahezu allen großen und kleinen Städten des Landes. Die Erfahrungen mit dem Krieg und seinen dramatischen Folgen spiegeln sich in einem gegensätzlichen Weltbild wider. Dies entspricht der damaligen Lebenswirklichkeit der Menschen: Das Leben der einfachen Bevölkerung war beeinflusst von bitterer Armut und Pessimismus, während bei den Adeligen nach dem Vorbild des französischen Absolutismus Luxus und Verschwendung herrschten. In der Dichtung wird die Nutzung solcher inhaltlichen Gegensätze als Antithetik bezeichnet. Diese Gegensätzlichkeiten lassen sich bei den Motiven des Barocks finden. In Deutschland führte der Barock zu einer Ablösung der lateinischen Sprache in der Literatur - einschließlich der wissenschaftlichen und philosophischen Literatur - durch die deutsche Sprache. Zu den bedeutendsten Autoren des Barocks gehören: Grimmelshausen, Andreas Gryphius, Casper von Lohenstein, Martin Opitz, Caspar Ziegler und Paul Fleming.

Das vorliegende Gedicht umfasst 311 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 42 Versen. Die Gedichte „An Jolinden“, „An den gecreutzigten Jesum“ und „An den gefangenen Dicaeus“ sind weitere Werke des Autors Andreas Gryphius. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Verleugnung der Welt“ weitere 461 Gedichte vor.

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