Die Reliquie von Johann Wolfgang von Goethe

Ich kenn, o Jüngling, deine Freude,
Erwischest du einmal zur Beute
Ein Band, ein Stückchen von dem Kleide,
Das dein geliebtes Mädchen trug.
Ein Schleier, Halstuch, Strumpfband, Ringe
Sind wirklich keine kleinen Dinge,
Allein mir sind sie nicht genug.
 
Mein zweites Glücke nach dem Leben,
Mein Mädchen hat mir was gegeben;
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Setzt eure Schätze mir darneben,
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Und ihre Herrlichkeit wird nichts.
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Wie lach ich all der Trödelware!
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Sie schenkte mir die schönsten Haare,
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Den Schmuck des schönen Angesichts.
 
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Soll ich dich gleich, Geliebte, missen,
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Wirst du mir doch nicht ganz entrissen:
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Zu sehn, zu tändeln und zu küssen
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Bleibt mir der schönste Teil von dir.
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Gleich ist des Haars und mein Geschicke:
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Sonst buhlten wir mit einem Glücke
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Um sie, jetzt sind wir fern von ihr.
 
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Fest waren wir an sie gehangen;
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Wir streichelten die runden Wangen
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Und gleiteten oft mit Verlangen
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Von da herab zur rundern Brust.
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O Nebenbuhler, frei vom Neide,
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Reliquie, du schöne Beute,
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Erinnre mich der alten Lust.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25 KB)

Details zum Gedicht „Die Reliquie“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
162
Entstehungsjahr
1749 - 1832
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Reliquie“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Wolfgang von Goethe. Geboren wurde Goethe im Jahr 1749 in Frankfurt am Main. Im Zeitraum zwischen 1765 und 1832 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zu. Bei Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Zwischen den Literaturepochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren zwischen 1765 und 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Protest- und Jugendbewegung gegen die aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung. Die Vertreter waren meistens junge Autoren, zumeist nicht älter als 30 Jahre. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Schiller, Goethe und natürlich die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Zeitlich lässt sich die Weimarer Klassik mit Goethes Italienreise 1786 und mit Goethes Tod im Jahr 1832 eingrenzen. Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert beeinflusst. Die Aufklärung und die gefühlsbetonte Strömung Sturm und Drang. Die Weimarer Klassik ist eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Das Zentrum der Literatur der Weimarer Klassik lag in Weimar. Oft wird die Epoche auch nur als Klassik bezeichnet. Toleranz, Menschlichkeit und Übereinstimmung von Mensch und Natur, von Individuum und Gesellschaft sind die Ideale der Klassik. Im Zentrum des klassischen Kunstkonzepts steht das Streben nach harmonischem Ausgleich der Gegensätze. In der Lyrik haben die Autoren auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. Beispielsweise war so die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders beliebt. Außerdem verwendeten die Autoren eine pathetische, gehobene Sprache. Die Hauptvertreter der Weimarer Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.

Das 162 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Der Dichter Johann Wolfgang von Goethe ist auch der Autor für Gedichte wie „An Belinden“, „An Lida“ und „An den Mond“. Zum Autor des Gedichtes „Die Reliquie“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1617 Gedichte vor.

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