Höheres und Höchstes von Johann Wolfgang von Goethe

Daß wir solche Dinge lehren,
Möge man uns nicht bestrafen:
Wie das alles zu erklären,
Dürft ihr euer Tiefstes fragen.
 
Und so werdet ihr vernehmen:
Daß der Mensch, mit sich zufrieden,
Gern sein Ich gerettet sähe,
So da droben wie hienieden.
 
Und mein liebes Ich bedürfte
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Mancherlei Bequemlichkeiten,
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Freuden, wie ich hier sie schlürfte,
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Wünscht ich auch für ew'ge Zeiten.
 
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So gefallen schöne Gärten,
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Blum' und Frucht und hübsche Kinder,
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Die uns allen hier gefielen,
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Auch verjüngtem Geist nicht minder.
 
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Und so möcht ich alle Freunde,
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Jung und alt, in eins versammeln,
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Gar zu gern in deutscher Sprache
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Paradiesesworte stammeln.
 
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Doch man horcht nun Dialekten,
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Wie sich Mensch und Engel kosen,
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Der Grammatik, der versteckten,
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Deklinierend Mohn und Rosen.
 
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Mag man ferner auch in Blicken
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Sich rhetorisch gern ergehen
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Und zu himmlischem Entzücken
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Ohne Klang und Ton erhöhen.
 
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Ton und Klang jedoch entwindet
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Sich dem Worte selbstverständlich,
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Und entschiedener empfindet
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Der Verklärte sich unendlich.
 
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Ist somit dem Fünf der Sinne
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Vorgesehn im Paradiese,
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Sicher ist es, ich gewinne
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Einen Sinn für alle diese.
 
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Und nun dring ich allerorten
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Leichter durch die ew'gen Kreise,
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Die durchdrungen sind vom Worte
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Gottes rein-lebend'ger Weise.
 
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Ungehemmt mit heißem Triebe
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Läßt sich da kein Ende finden,
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Bis im Anschaun ew'ger Liebe
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Wir verschweben, wir verschwinden.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Höheres und Höchstes“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
44
Anzahl Wörter
210
Entstehungsjahr
1749 - 1832
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Johann Wolfgang von Goethe ist der Autor des Gedichtes „Höheres und Höchstes“. Goethe wurde im Jahr 1749 in Frankfurt am Main geboren. Zwischen den Jahren 1765 und 1832 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Goethe ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Literaturepoche, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. Die wesentlichen Merkmale des Sturm und Drang lassen sich als ein Auflehnen oder Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung zusammenfassen. Das philosophische und literarische Leben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Literatur sollten dadurch maßgeblich beeinflusst werden. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig junge Autoren im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde im Besonderen darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Nachahmung und Idealisierung von Schriftstellern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die traditionellen Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit seinen beiden bedeutenden Vertretern Schiller und Goethe entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.

Zeitlich lässt sich die Weimarer Klassik mit Goethes Italienreise 1786 und mit Goethes Tod im Jahr 1832 eingrenzen. Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert beeinflusst. Die Aufklärung und die gefühlsbetonte Strömung Sturm und Drang. Die Weimarer Klassik ist eine Synthese dieser beiden Elemente. Die Weimarer Klassik wird oft nur als Klassik bezeichnet. Beide Bezeichnungen sind in der Literatur gebräuchlich. Die Dichter der Weimarer Klassik wollten die antiken Stoffe aufleben lassen. Mit der antiken Kunst beschäftigte sich Goethe während seiner Italienreise. Die Antike gilt nun als Ideal, um Harmonie und Vollkommenheit erreichen zu können. In der Gestaltung wurde das Gültige, Gesetzmäßige, Wesentliche aber auch die Harmonie und der Ausgleich gesucht. Im Gegensatz zum Sturm und Drang, wo die Sprache häufig derb und roh ist, bleibt die Sprache in der Klassik den sich selbst gesetzten Regeln treu. Die berühmtesten Schriftsteller der Klassik sind Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe. Andere bekannte Schriftsteller der Klassik sind Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Die beiden zuletzt genannten arbeiteten jeweils für sich. Einen konstruktiven Austausch im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gab es nur zwischen Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.

Das Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 11 Strophen und umfasst dabei 210 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Wolfgang von Goethe sind „An Lida“, „An den Mond“ und „An den Schlaf“. Zum Autor des Gedichtes „Höheres und Höchstes“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1617 Gedichte vor.

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