Der Mann im Lehnstuhl von Matthias Claudius

1	Saß einst in einem Lehnstuhl still
2	Ein vielgelehrter Mann,
3	Und um ihn trieben Knaben Spiel
4	Und sahn ihn gar nicht an.
5	Sie spielten aber Steckenpferd,
6	Und ritten hin und her:
7	Hopp, hopp! und peitschten unerhört,
8	Und trieben 's Wesen sehr.
9	Der Alte dacht in seinem Sinn:
10	»Die Knaben machen's kraus;
11	Muß sehen lassen wer ich bin.«
12	Und damit kramt' er aus;
13	Und machte ein gestreng Gesicht,
14	Und sagte weise Lehr.
15	Sie spielten fort, als ob da nicht
16	Mann, Lehr, noch Lehnstuhl wär.
17	Da kam die Laus und überlief
18	Die Lung und Leber ihm.
19	Er sprang vom Lehnstuhl auf, und rief
20	und schalt mit Ungestüm:
21	»Mit dem verwünschten Steckenpferd!
22	Was doch die Unart tut!
23	Still da! ihr Jungens, still, und hört!
24	Denn meine Lehr ist gut.«
25	»Kann sein«, sprach einer, »weiß es nit,
26	Geht aber uns nicht an.
27	Da ist ein Pferd, komm reite mit;
28	Denn bist du unser Mann.«

Details zum Gedicht „Der Mann im Lehnstuhl“

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Der Mann im Lehnstuhl“ ist Matthias Claudius. Geboren wurde Claudius im Jahr 1740 in Reinfeld (Holstein). In der Zeit von 1756 bis 1815 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Empfindsamkeit zu. Bei dem Schriftsteller Claudius handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 149 Worte. Die Gedichte „Abendlied“, „Den Pythagoras betreffend“ und „Ein Lied hinter’m Ofen zu singen“ sind weitere Werke des Autors Matthias Claudius. Zum Autor des Gedichtes „Der Mann im Lehnstuhl“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 83 Gedichte vor.

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