Die glücklichen Gatten von Johann Wolfgang von Goethe

Nach diesem Frühlingsregen,
Den wir so warm erfleht,
Weibchen, o sieh den Segen,
Der unsre Flur durchweht.
Nur in der blauen Trübe
Verliert sich fern der Blick;
Hier wandelt noch die Liebe,
Hier hauset noch das Glück.
 
Das Pärchen weißer Tauben,
10 
Du siehst, es fliegt dorthin,
11 
Wo um besonnte Lauben
12 
Gefüllte Veilchen blühn.
13 
Dort banden wir zusammen
14 
Den allerersten Strauß
15 
Dort schlugen unsre Flammen
16 
Zuerst gewaltig aus.
 
17 
Doch als uns vom Altare,
18 
Nach dem beliebten Ja,
19 
Mit manchem jungen Paare
20 
Der Pfarrer eilen sah,
21 
Da gingen andre Sonnen
22 
Und andre Monden auf,
23 
Da war die Welt gewonnen
24 
Für unsern Lebenslauf.
 
25 
Und hunderttausend Siegel
26 
Bekräftigten den Bund,
27 
Im Wäldchen auf dem Hügel,
28 
Im Busch am Wiesengrund,
29 
In Höhlen, im Gemäuer
30 
Auf des Geklüftes Höh,
31 
Und Amor trug das Feuer
32 
Selbst in das Rohr am See.
 
33 
Wir wandelten zufrieden,
34 
Wir glaubten uns zu zwei;
35 
Doch anders war's beschieden,
36 
Und sieh! wir waren drei,
37 
Und vier und fünf und sechse,
38 
Sie saßen um den Topf,
39 
Und nun sind die Gewächse
40 
Fast all uns übern Kopf.
 
41 
Und dort in schöner Fläche
42 
Das neugebaute Haus
43 
Umschlingen Pappelbäche,
44 
So freundlich sieht's heraus.
45 
Wer schaffte wohl da drüben
46 
Sich diesen frohen Sitz?
47 
Ist es mit seiner Lieben
48 
Nicht unser braver Fritz?
 
49 
Und wo im Felsengrunde
50 
Der eingeklemmte Fluß
51 
Sich schäumend aus dem Schlunde
52 
Auf Räder stürzen muß:
53 
Man spricht von Müllerinnen
54 
Und wie so schön sie sind;
55 
Doch immer wird gewinnen
56 
Dort hinten unser Kind.
 
57 
Doch wo das Grün so dichte
58 
Um Kirch und Rasen steht,
59 
Da, wo die alte Fichte
60 
Allein zum Himmel weht,
61 
Da ruhet unsrer Toten
62 
Frühzeitiges Geschick
63 
Und leitet von dem Boden
64 
Zum Himmel unsern Blick.
 
65 
Es blitzen Waffenwogen
66 
Den Hügel schwankend ab.
67 
Das Heer, es kommt gezogen,
68 
Das uns den Frieden gab.
69 
Wer mit der Ehrenbinde
70 
Bewegt sich stolz voraus?
71 
Es gleichet unserm Kinde!
72 
So kommt der Karl nach Haus.
 
73 
Den liebsten aller Gäste
74 
Bewirtet nun die Braut;
75 
Sie wird am Friedensfeste
76 
Dem Treuen angetraut.
77 
Und zu den Feiertänzen
78 
Drängt jeder sich herbei;
79 
Da schmückest du mit Kränzen
80 
Der jüngsten Kinder drei.
 
81 
Bei Flöten und Schalmeien
82 
Erneuert sich die Zeit,
83 
Da wir uns einst im Reihen
84 
Als junges Paar gefreut;
85 
Und in des Jahres Laufe,
86 
Die Wonne fühl ich schon!
87 
Begleiten wir zur Taufe
88 
Den Enkel und den Sohn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.3 KB)

Details zum Gedicht „Die glücklichen Gatten“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
88
Anzahl Wörter
377
Entstehungsjahr
1749 - 1832
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die glücklichen Gatten“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Wolfgang von Goethe. 1749 wurde Goethe in Frankfurt am Main geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1765 und 1832. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Goethe ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang reicht zeitlich etwa von 1765 bis 1790. Sie ist eine Strömung innerhalb der Aufklärung (1720–1790) und überschneidet sich teilweise mit der Epoche der Empfindsamkeit (1740–1790) und ihren Merkmalen. Häufig wird die Epoche des Sturm und Drang auch als Geniezeit oder Genieperiode bezeichnet. Die Klassik knüpft an die Literaturepoche des Sturm und Drang an. Der Literaturepoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Auflehnen gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Bei den Schriftstellern handelte es sich meist um Autoren jüngeren Alters. Meist waren die Vertreter unter 30 Jahre alt. Die Schriftsteller versuchten in den Gedichten eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten weiterhin als Inspiration. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Zwei sich deutlich unterscheidende Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert bewegt: die Aufklärung und eine gefühlsbetonte Strömung, die durch den Sturm und Drang vertreten wurde. Die Weimarer Klassik ist im Grund genommen eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Die Weimarer Klassik nahm ihren Anfang mit der Italienreise Goethes im Jahr 1786 und endete mit dem Tod von Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1832. Wie der Name bereits verrät, liegen das literarische Zentrum und der Ausgangspunkt der Weimarer Klassik, die auch kurz Klassik genannt wird, in Weimar. Zum Teil wird auch Jena als ein weiteres Zentrum dieser Literaturepoche angesehen. Die Weimarer Klassik geht von einer Erziehbarkeit des Individuums zum Guten aus. Ihr Bestreben ist die Humanität, die wahre Menschlichkeit (das Schöne, Gute, Wahre). Die Vertreter der Weimarer Klassik gingen davon aus, dass Gott den Menschen Gefühle und Vernunft gibt und die Menschen damit dem Leben einen Sinn geben. Der Mensch ist also von höheren Mächten abhängig. In der Klassik wird eine geordnete, einheitliche Sprache verwendet. Allgemeingültige, kurze Aussagen (Sentenzen) sind häufig in Werken der Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, setzte man großen Wert auf formale Ordnung und Stabilität. Metrische Ausnahmen befinden sich immer wieder an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Schiller, Goethe, Wieland und Herder bildeten das „Viergestirn“ der Klassik. Es gab natürlich auch noch andere Autoren, die typische Werke veröffentlichten, doch niemand übertraf die Fülle und die Popularität dieser vier Autoren.

Das Gedicht besteht aus 88 Versen mit insgesamt 11 Strophen und umfasst dabei 377 Worte. Die Gedichte „An Belinden“, „An Lida“ und „An den Mond“ sind weitere Werke des Autors Johann Wolfgang von Goethe. Zum Autor des Gedichtes „Die glücklichen Gatten“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1617 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Johann Wolfgang von Goethe

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Johann Wolfgang von Goethe und seinem Gedicht „Die glücklichen Gatten“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Johann Wolfgang von Goethe (Infos zum Autor)

Zum Autor Johann Wolfgang von Goethe sind auf abi-pur.de 1617 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.