Generalbeichte von Johann Wolfgang von Goethe

Lasset heut im edeln Kreis
Meine Warnung gelten!
Nehmt die ernste Stimmung wahr,
Denn sie kommt so selten.
Manches habt ihr vorgenommen,
Manches ist euch schlecht bekommen,
Und ich muß euch schelten.
 
Reue soll man doch einmal
In der Welt empfinden!
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So bekennt, vertraut und fromm,
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Eure größten Sünden!
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Aus des Irrtums falschen Weiten
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Sammelt euch und sucht beizeiten
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Euch zurechtzufinden.
 
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Ja, wir haben, sei's bekannt,
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Wachend oft geträumet,
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Nicht geleert das frische Glas,
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Wenn der Wein geschäumet;
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Manche rasche Schäferstunde,
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Flücht'gen Kuß vom lieben Munde
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Haben wir versäumet.
 
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Still und maulfaul saßen wir,
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Wenn Philister schwätzten,
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Über göttlichen Gesang
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Ihr Geklatsche schätzten,
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Wegen glücklicher Momente,
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Deren man sich rühmen könnte,
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Uns zur Rede setzten.
 
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Willst du Absolution
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Deinen Treuen geben,
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Wollen wir nach deinem Wink
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Unabläßlich streben,
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Uns vom Halben zu entwöhnen
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Und im Ganzen, Guten, Schönen
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Resolut zu leben,
 
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Den Philistern allzumal
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Wohlgemut zu schnippen,
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Jenen Perlenschaum des Weins
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Nicht nur flach zu nippen,
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Nicht zu liebeln leis mit Augen,
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Sondern fest uns anzusaugen
42 
An geliebte Lippen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.6 KB)

Details zum Gedicht „Generalbeichte“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
169
Entstehungsjahr
1749 - 1832
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Generalbeichte“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Wolfgang von Goethe. 1749 wurde Goethe in Frankfurt am Main geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1765 und 1832. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Sturm und Drang ist die Bezeichnung für die Literaturepoche in den Jahren von etwa 1765 bis 1790 und wird häufig auch Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode genannt. Diese Bezeichnung entstand durch die Verherrlichung des Genies als Urbild des höheren Menschen und Künstlers. Der Sturm und Drang knüpft an die Empfindsamkeit an und geht später in die Klassik über. Der Epoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Auflehnen gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig junge Autoren im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde besonders darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit der Hinwendung Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Zeitlich lässt sich die Weimarer Klassik mit Goethes Italienreise im Jahr 1786 und mit Goethes Tod 1832 eingrenzen. Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert bewegt. Die Aufklärung und die gefühlsbetonte Strömung Sturm und Drang. Die Weimarer Klassik ist eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Sowohl die Bezeichnung Klassik als auch die Bezeichnung Weimarer Klassik sind gebräuchlich. Das literarische Zentrum dieser Epoche lag in Weimar. Die Klassik geht von der Erziehbarkeit des Menschen zum Guten aus. Ihr Ziel ist die Humanität, die wahre Menschlichkeit (das Schöne, Gute, Wahre). Die Vertreter der Klassik gingen davon aus, dass Gott den Menschen Vernunft und Gefühle gibt und die Menschen damit dem Leben einen Sinn geben. Das Individuum ist also von höheren Mächten abhängig. In der Lyrik haben die Autoren auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. So war beispielsweise die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders populär. Darüber hinaus verwendeten die Autoren eine pathetische, gehobene Sprache. Goethe, Schiller, Herder und Wieland können als die Hauptvertreter der Klassik genannt werden. Aber nur Schiller und Goethe motivierten und inspirierten einander durch eine intensive Zusammenarbeit und wechselseitige Kritik.

Das Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 169 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Wolfgang von Goethe sind „An Belinden“, „An Lida“ und „An den Mond“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Generalbeichte“ weitere 1617 Gedichte vor.

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