Einer hohen Reisenden von Johann Wolfgang von Goethe

Wohin du trittst, wird uns verklärte Stunde,
Dir leuchtet Klarheit frisch vom Angesicht,
Vom Auge Gutheit, Lieblichkeit vom Munde,
Aus Wolken dringt ein reines Himmelslicht.
Der Ungeheuer Schwarm im Hintergrunde,
Er drängt, er droht, jedoch er schreckt dich nicht,
Wie du mit Freiheit unbefangen schreitest,
Das Herz erhebst und jeden Geist erweitest.
 
So wandelst du, dein Ebenbild zu schauen,
10 
Das majestätisch uns von oben blickt,
11 
Der Mütter Urbild, Königin der Frauen,
12 
Ein Wunderpinsel hat sie ausgedrückt.
13 
Ihr beugt ein Mann, mit liebevollem Grauen,
14 
Ein Weib die Knie, in Demut still entzückt;
15 
Du aber kommst, ihr deine Hand zu reichen,
16 
Als wärest du zu Haus bei deinesgleichen.
 
17 
Doch schreite weiter, was auch hier sich finde,
18 
Zum Lande hin, dem doch kein andres gleicht,
19 
Wo uns Natur befreit, wie Kunst auch binde,
20 
Der Geist sich stählt, wenn sich das Herz erweicht,
21 
Vor stillem Schaun so Zeit- als Volksgewinde
22 
Zum Abgrund wallt, zur Himmelshöhe steigt:
23 
Dorthin gehörst du, die du schaffend strebest,
24 
Die Trümmer herstellst, Totes neu belebest.
 
25 
Führ uns indes durch blumenreiche Matten,
26 
Am breiten Fluß durchs wohlbekannte Tal,
27 
Wo Reben sich um Sonnenhügel gatten,
28 
Der Fels dich schützt vor mächt'gem Sonnenstrahl;
29 
Genieße froh der engen Laube Schatten,
30 
Der reinen Milch unschuldig würd'ges Mahl,
31 
Und hier und dort vergönn, an deinen Blicken,
32 
An deinem Wort uns ewig zu entzücken!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.5 KB)

Details zum Gedicht „Einer hohen Reisenden“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
217
Entstehungsjahr
1749 - 1832
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Einer hohen Reisenden“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Wolfgang von Goethe. Goethe wurde im Jahr 1749 in Frankfurt am Main geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1765 und 1832. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Goethe ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Epoche der Literatur, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. Der Literaturepoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Rebellieren gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Autoren des Sturm und Drang waren zumeist Schriftsteller jüngeren Alters, häufig unter 30 Jahre alt. Die Schriftsteller versuchten in den Gedichten eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Aber dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Goethe, Schiller und die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Die Weimarer Klassik dauerte von 1786 bis 1832 an. Zentrale Vertreter dieser Literaturepoche waren Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Die zeitliche Abgrenzung orientiert sich dabei an dem Schaffen Goethes. So wird dessen erste Italienreise 1786 als Beginn der deutschen Klassik angesehen, die dann mit seinem Tod 1832 ihr Ende nahm. Ausgangspunkt und literarisches Zentrum der Weimarer Klassik (kurz auch häufig einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Zu den wichtigsten Motiven der Weimarer Klassik gehören unter anderem Menschlichkeit und Toleranz. In der Weimarer Klassik wird eine sehr geordnete, einheitliche Sprache verwendet. Allgemeingültige, kurze Aussagen sind oftmals in Werken der Weimarer Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, legte man großen Wert auf Stabilität und formale Ordnung. Metrische Ausnahmen befinden sich häufig an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Die wichtigsten Dichter der Klassik sind: Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried von Herder.

Das vorliegende Gedicht umfasst 217 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Wolfgang von Goethe sind „An den Mond“, „An den Schlaf“ und „An den Selbstherscher“. Zum Autor des Gedichtes „Einer hohen Reisenden“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1617 Gedichte veröffentlicht.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Johann Wolfgang von Goethe

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Johann Wolfgang von Goethe und seinem Gedicht „Einer hohen Reisenden“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Johann Wolfgang von Goethe (Infos zum Autor)

Zum Autor Johann Wolfgang von Goethe sind auf abi-pur.de 1617 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.