Epistel an den Geheimenrath von Diez von Susanne von Bandemer

Dir dank’ ich, edler Mann! für jene frohe Stunden,
Die Witz und Geist und Scherz dem Herzen mitgetheilt,
Das unter gute Menschen gern verweilt,
Die deine Freundschaft ehrt. Die Freude, dort empfunden,
War lange meiner Seele fremde, war
Schon manches durchgeweinte Jahr
Für mich ein Bild der bessern Ideale!
Die ich, mein theurer Diez! mit Rosenfarben mahle.
Du lächelst meiner Phantasie?
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Ja, Menschenkenner, lächle nur;
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Unglücklich machte sie mich nie,
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Sie ist für mich die Würze der Natur.
 
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Wohl mir! sie hat mich nicht der Wirklichkeit entführet,
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Weil sie den deutschen Mann so ganz realisiret,
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Den meine Schwärmerey sich schuf, den ich –
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Schon völlig todt für dieses Erdenleben –
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Nur geistig sah vor meinen Augen schweben,
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Bis dieses Bild der bessern Wahrheit wich;
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Nicht wahr? dieß alles wird den kleinen Zwist erneuen,
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Der meinem armen Kopf nur zu gefährlich ist;
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Allein, mein theuerster Sophist,
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Du wirst der Dichterinn die süßen Schwärmereyen
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Für eine Wahrheit doch verzeihen:
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So wahr du Philosoph und Staatsmann bist,
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Nie geht für meinen Ohren
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Der Suada Zauberkraft verloren,
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Die stets aus deinem Munde spricht.
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Und dieß Gefühl ist wahrlich kein Gedicht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.3 KB)

Details zum Gedicht „Epistel an den Geheimenrath von Diez“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
184
Entstehungsjahr
1802
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Epistel an den Geheimenrath von Diez“ wurde von der deutschen Dichterin Susanne von Bandemer, geboren am 2. März 1751 und gestorben am 30. Dezember 1828, verfasst. Damit kann das Gedicht zeitlich der Epoche der Aufklärung beziehungsweise dem Sturm und Drang zugeordnet werden.

Das Gedicht macht auf den ersten Eindruck einen sehr persönlichen, dankbaren und harmonischen Eindruck. Es reflektiert auch eine Zeit, in welcher der intellektuelle Austausch und das Gespräch in Literatur und Philosophie einen hohen Stellenwert hatten.

Inhaltlich drückt das lyrische Ich im Gedicht seinen Dank und seine Wertschätzung für den Geheimen Rat von Diez aus. Es bedankt sich für unbeschwerte Stunden des geistreichen Austauschs und der Freude, welche ihm lange Zeit fremd waren. Dabei wird besonders die positive Wirkung des geistigen Austausches und der Fantasie hervorgehoben, die für das lyrische Ich „die Würze der Natur“ darstellt. Des Weiteren reflektiert das lyrische Ich, dass diese geistige Welt und Fantasie es nicht von der Realität entfernt, sondern es ihm ermöglicht, einen idealisierten deutschen Mann zu realisieren. Obwohl diese Fantasie den Förderer zu einem „Sophisten“ macht, bittet das lyrische Ich diesen um Verständnis und Nachsicht.

Die Form des Gedichts ist eine Epistel, also in Form eines Briefes gehalten. Sprachlich nutzt das Gedicht klassische literarische Mittel wie Metaphern („Rosenfarben“, „Würze der Natur“). Die Versmaße und der Reim sind nicht einheitlich, was auf einen freien Vers hinweist.

Trotz des formalen und sprachlichen Konstrukts wirkt das Gedicht sehr persönlich und authentisch – als Ausdruck von Dankbarkeit, Bewunderung und einer engen persönlichen Beziehung. Die Dichterin stellt ganz klar ihre Beziehung zu von Diez und die Wertschätzung seiner Gesellschaft und Gespräche in den Vordergrund, was in der Literatur ihrer Zeit eher unüblich war. Damit gibt das Gedicht auch Einblick in die Rolle von Frauen in dem intellektuellen Leben der Zeit.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Epistel an den Geheimenrath von Diez“ stammt aus der Feder der Autorin bzw. Lyrikerin Susanne von Bandemer. Im Jahr 1751 wurde Bandemer in Berlin geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1802. Erschienen ist der Text in Berlin. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her den Epochen Klassik oder Romantik zuordnen. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das vorliegende Gedicht umfasst 184 Wörter. Es baut sich aus 2 Strophen auf und besteht aus 28 Versen. Die Dichterin Susanne von Bandemer ist auch die Autorin für Gedichte wie „An Ihn“, „An Karl Hadermann“ und „An Madame Karschin bey Übersendung eines Blumenstrausses am 1. Dezember 1789“. Zur Autorin des Gedichtes „Epistel an den Geheimenrath von Diez“ haben wir auf abi-pur.de weitere 86 Gedichte veröffentlicht.

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