Dionysius und der Dichter von Susanne von Bandemer

Dem Dionysius, der durch Gewalt die Krone
Von Syrakus gewann, der Bürger Schrecken war,
Und selbst voll Todesfurcht auf dem geraubten Throne
Erbebte, stellte sich ein armer Dichter dar,
Und übergab ein Lied, das seine Heldenthaten,
Sein Glück und Recht, die Wohlfahrt seiner Staaten,
Und sein großmüthig Herz besang.
Der gute Dichter hofft auf einen goldnen Dank:
Doch der Tyrann, der selbst mehr Schätze zu bekommen,
 
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Jüngsthin dem Äskulap den goldnen Bart,
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Dem Zevs den schweren Mantel abgenommen,
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Und alles für den Lohn der Leibtrabanten spart,
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Will auf die Dichtkunst nicht ein Drachma wenden;
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Nimmt aber — (selbst ein Dichterlein)
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Das Blatt aus des Poeten Händen,
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Liest unverdientes Lob, und ruft: Wer kann so fein,
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So rührend, so erhaben singen?
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Das Würdigste muß man der Gottheit bringen,
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Zum Opfer ihr des besten Sängers Zunge weihn.
 
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Er winkt: das Urtheil wird vollzogen.
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Die Zunge, die sein Lob so schön gelogen,
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Wird abgeschnitten, dem Tyrannen überbracht,
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Der sie dem Feuer schenkt und lacht.
 
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Ihr Fürsten unsrer Zeit, verabscheut solch ein Lachen!
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So menschenfeindlich scherzet nie!
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Ein leichter Mittel giebt’s die Schmeichler stumm zu machen:
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Gebt ihnen nichts, so schweigen sie.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.3 KB)

Details zum Gedicht „Dionysius und der Dichter“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
27
Anzahl Wörter
188
Entstehungsjahr
1802
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts „Dionysius und der Dichter“ ist Susanne von Bandemer, eine deutsche Dichterin des 18. Jahrhunderts. Sie war eine von wenigen Frauen, die sich in der Literatur der damaligen Zeit einen Namen machte.

Bereits beim ersten Lesen entsteht der Eindruck eines dramatischen und politisch geladenen Gedichts. Bandemer baut deutliche Kontraste zwischen den Hauptfiguren auf: dem reichen, mächtigen und skrupellosen Tyrannen Dionysius und dem armen, idealistischen Dichter.

Inhaltlich geht es um einen Dichter, der ein Lied an den Tyrannen Dionysius überreicht, in dem er dessen Heldentaten, Reichtum, Gesundheit des Staates und Großzügigkeit lobt. Er erhofft sich dafür eine finanzielle Belohnung. Der Tyrann, dargestellt als geizig und grausam, ist jedoch nicht gewillt, auch nur einen geringen Teil seines Vermögens für die Dichtkunst auszugeben. Stattdessen lässt er dem Dichter, nachdem er dessen unverdientes Lob gelesen hat, die Zunge herausschneiden und opfert sie den Göttern, während er lacht. Das Gedicht endet mit einer eindringlichen Mahnung an die Fürsten der Zeit, nicht wie Dionysius zu handeln und stattdessen die Schmeichler zum Schweigen zu bringen, indem sie ihnen nichts geben.

Die Aussage des lyrischen Ichs stellt eine Kritik an der Grausamkeit und Geizigkeit der Oberschicht, vor allem der Fürsten, dar. Sie ist eine Aufforderung an die Mächtigen, ihr Verhalten gegenüber Künstlern und ihrer Kunst zu überdenken. Das lyrische Ich greift in diesem Zusammenhang auch die Motive von Machtmissbrauch und sozialer Ungerechtigkeit auf.

Die Form und Sprache des Gedichts weisen Merkmale der klassischen Dichtung auf. Es ist in Strophen unterschiedlicher Länge gegliedert und verwendet durchgehend einen gleichmäßigen Rhythmus. Der Wortlaut ist dabei bewusst ausschmückend und gehoben, was die Intention der Autorin unterstreicht, starke Emotionen und Urteile zu evozieren. Schließlich trägt auch die Verwendung von antiken Figuren und Konzepten (Dionysius, Zeus etc.) zur overall Stimmung des Gedichts bei, indem es die Vorstellung von zeitlosen, universalen Themen und Konflikten hervorruft.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Dionysius und der Dichter“ stammt aus der Feder der Autorin bzw. Lyrikerin Susanne von Bandemer. Die Autorin Susanne von Bandemer wurde 1751 in Berlin geboren. 1802 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her den Epochen Klassik oder Romantik zuordnen. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 27 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 188 Worte. Weitere bekannte Gedichte der Autorin Susanne von Bandemer sind „An * * * bey der Übersendung einer Haarlocke“, „An Elise Reichsgräfin zu S * * * L * * *“ und „An Elisen“. Zur Autorin des Gedichtes „Dionysius und der Dichter“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 86 Gedichte vor.

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