Die Dirne von Karl Henckell

Schleiche auf dunklem Flur,
Schleppe grauen Gram.
Bin ja, bin ja nur
Eine alte Hur’:
Habt mich für Geld.
Kenne auf der Welt
Keine Scham –
Ein Tier!
 
War doch auch ein Kind,
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Rein wie ihr,
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Las in dem Angebind,
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Dem Samtbrevier:
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Herrgott, dich loben wir –
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Bin wie ihr gesprungen
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Zu Spiel und Tanz,
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Habe so hell gesungen
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Auf sonniger Heide:
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Wir winden dir den Jungfernkranz –
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Jungfernkranz! –
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Mit veilchenblauer Seide ...
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Schleiche auf dunklem Flur,
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Häßliche, alte Hur’,
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Gehorsamer Diener!
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Gehorsamer Diener! –
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Gott!! –
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Mütterchen, was sagt der liebe Gott?
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„Beten, beten!“
 
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Heißa, heißa, hopsassa!
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La la la ...
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Hopsassa!
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Schöner grüner,
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Schöner grüner Jungfernkranz!
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– – Mir wird schlecht. –
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Hunger – Brot! Brot!
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Liebste für’n Lumpengeld,
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Ist doch ’ne elende Welt! –
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O läg’ ich tot ...!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „Die Dirne“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
37
Anzahl Wörter
120
Entstehungsjahr
1883-1886
Epoche
Realismus,
Naturalismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Dirne“ wurde von dem deutschen Dichter und Journalisten Karl Henckell verfasst, der von 1864 bis 1929 lebte. Henckell war vor allem im 20. Jahrhundert als progressiver Lyriker bekannt. Er gehörte den literarischen Gruppierungen des Naturalismus und Sozialismus an, die sich durch ehrliche, manchmal harte, Darstellungen des Lebens einfacher Menschen in einer schmerzlich realistischen Weise auszeichneten.

Das Gedicht, das aus drei Strophen besteht, hinterlässt beim ersten Eindruck ein starkes Bild der Verzweiflung und Entmenschlichung. Die Hauptfigur, eine Prostituierte, wird in den dunkelsten Farben dargestellt und damit exponiert es die schwierigen Lebensumstände, denen sie ausgesetzt ist.

Im ersten Teil des Gedichts beschreibt das lyrische Ich seine Gegenwart als „alte Hure“, die kein Schamgefühl mehr empfindet und sich eher wie ein Tier als wie ein Mensch fühlt. In der zweiten Strophe erinnert sich das lyrische Ich an ihre Kindheit, als sie noch Reinheit und Unschuld besaß. Sie spielt mit dem Kontrast zwischen Vergangenheit und Gegenwart, um die Tragik des gegenwärtigen Lebens der Prostituierten zu betonen. In der dritten Strophe endet das Gedicht auf einer besonders bitteren Note, indem die Protagonistin bekundet, wie ihr schlecht wird und ihr Hunger quält. Zuletzt deutet sie mit dem Wunsch, tot zu liegen, auf Selbstmordgedanken hin.

Sprachlich ist das Gedicht geprägt von seiner klaustrophobischen und düsteren Atmosphäre. Die Strophen variieren in ihrer Versform stark, und auch die Sprache ist stark im Dialekt und in der Umgangssprache verankert, was die ablehnende und verzweifelte Stimmung des lyrischen Ichs unterstreicht.

Insgesamt legt das Gedicht einen detaillierten Fokus auf die sozialen Misstände zu Henckells Zeit und kritisiert die Ausbeutung und Entmenschlichung der Frauen, die in der Prostitution enden. Es ist ein klares Statement gegen die Ungerechtigkeit und Repression innerhalb der Gesellschaft und unterstreicht die Bedeutung der sozialen Reform. Mit „Die Dirne“ stellt Henckell die dunkle Seite der Gesellschaft dar, die oft übersehen oder schlicht ignoriert wird.

Weitere Informationen

Karl Henckell ist der Autor des Gedichtes „Die Dirne“. Der Autor Karl Henckell wurde 1864 in Hannover geboren. Im Jahr 1886 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist München. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Realismus oder Naturalismus zugeordnet werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das Gedicht besteht aus 37 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 120 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Karl Henckell sind „Majestätsbeleidigung“, „Mein Neujahrswunsch“ und „Suum cuique!“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Dirne“ weitere 21 Gedichte vor.

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