Kommen wird der Tag.... von Karl Henckell

O matt Geschlecht der Tintenwüchsigkeit,
Du Mißgeburt der herzensärmsten Zeit!
Wie steife Reihn beschnittener Kakteen,
Wie tote Front gradliniger Armeen,
Wie eine Puppenkompagnie am Seil
Seh ich dich starrn und baumeln ohne Heil.
 
Die tief des Menschen Innerstes erfaßt,
Die freie Regung ist dir ganz verhaßt.
Was Herzensrechte, drängende Gefühle?!
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Nur höchst korrekte, reservierte Kühle!
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Daß eurer Seele Flut stets schicklich schleicht,
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Habt ihr in Anstands Höhe sie geeicht.
 
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Die ihr verlustig jeder Männlichkeit,
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Merkt ihr denn nicht, daß ihr Eunuchen seid?
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Ihr habt die Kräfte der Nation verraten
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Und seid Kastraten, klägliche Kastraten.
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Leis lispelt untertäniger Fistelton
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Das Lammgeplärre von Altar und Thron.
 
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Doch kommen wird der Tag der Kraft und Glut,
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Der dich emporreißt, stinkend faule Brut!
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Er ist nicht fern – wach auf, wach auf bei Zeiten,
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Schon seh ich Blitze durch die Himmel gleiten,
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Schon ruft die Werdelust Gewitter wach –
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Dann weh dem dürren Stroh auf deinem Dach!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.9 KB)

Details zum Gedicht „Kommen wird der Tag....“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
151
Entstehungsjahr
1883-1886
Epoche
Realismus,
Naturalismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Kommen wird der Tag...“ von Karl Henckell wurde verfasst im Kontext des kulturellen und politischen Umbruchs am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Henckell war ein bekannter deutscher Dichter und Journalist seines Zeit, der die Gesellschaft durch seine Schriften und Lyrik stark beeinflusste.

Auf den ersten Blick scheint das Gedicht stark anklagend und pessimistisch zu sein, mit deutlichen Emotionen von Frustration und Verachtung für die damalige Gesellschaft und das Establishment.

Inhaltlich stellt das lyrische Ich ein Bild von seiner Umgebung dar, welches von Abscheu geprägt ist. Henckell kritisiert das gesellschaftliche Establishment scharf und wirft ihm vor, die Herzen der Menschen eingekerkert und ihre Emotionen ausgemerzt zu haben. Er beschuldigt diese Gesellschaft, ihre Seele zu verlieren und zu Kastraten geworden zu sein. Trotz der dunklen und kritischen Darstellung, endet das Gedicht jedoch mit einer hoffnungsvollen Vision: es werden Tage der Kraft und der Wut kommen, die dieses faule System hinwegfegen werden.

Die Form und Sprache des Gedichts sind durchwegs direkt und provokativ. Henckell verwendet starke und eindringliche Bilder, um seine Botschaft zu vermitteln. Er beginnt das Gedicht mit der Darstellung der Gesellschaft als „herzensärmste Zeit“, „starrn und baumeln ohne Heil“. Auch im weiteren Verlauf des Gedichts bleibt die Sprache deutlich und anklagend, mit direkten Vorwürfen und Anschuldigungen gegenüber der Gesellschaft.

Das Gedicht ist in vier Strophen aufgeteilt, jede mit sechs Versen. Die Strophen sind durch ihren direkten, anklagenden Ton einander sehr ähnlich und bilden somit eine konsequente, einheitliche Gestalt des Werkes. Die Sprache ist einfach und direkt, gleichzeitig aber auch bildhaft und eindrücklich, was das Gedicht zu einem starken und einprägsamen Kunstwerk macht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Kommen wird der Tag...“ ein kraftvolles, kritisches Gedicht ist, in dem Henckell seine Verachtung für die damalige gesellschaftliche Ordnung ausdrückt und gleichzeitig seine Hoffnung auf eine bessere Zukunft darstellt.

Weitere Informationen

Karl Henckell ist der Autor des Gedichtes „Kommen wird der Tag....“. Der Autor Karl Henckell wurde 1864 in Hannover geboren. 1886 ist das Gedicht entstanden. München ist der Erscheinungsort des Textes. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Realismus oder Naturalismus zuordnen. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 151 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Die Gedichte „Der Korpsbursch“, „Der rote Vogel“ und „Die Dirne“ sind weitere Werke des Autors Karl Henckell. Zum Autor des Gedichtes „Kommen wird der Tag....“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 21 Gedichte vor.

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