Die Engelmacherin von Karl Henckell

Hier, mein Kind, hier, mein Kind,
Eh deine Mutter kommt, geschwind!
Zuckersüßen Branntewein –
Bald lädt dich der Herrgott ein.
Schmeckt es, mein Liebchen?
So zieht man euch groß.
Eia, popeia,
Dann sind wir dich los.
 
Ei so geht’s, ei so geht’s
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Zu meinem hübschen Vorteil stets.
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Kinder gibt es immer frisch,
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Goldne Vögel auf den Tisch.
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Wie mich der klingende
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Beutel entzückt!
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Eia, popeia,
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Bald ist mir’s geglückt.
 
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„Bist so blaß, bist so blaß“,
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Seufzt deine Mutter und weint sich naß.
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I, wer wird da gleich gerührt,
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Wenn so’n Mädel Kummer spürt?
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Kummer und Elend,
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Sünde und Pein,
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Eia, Popeia,
24 
Bringen was ein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Die Engelmacherin“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
107
Entstehungsjahr
1883-1886
Epoche
Realismus,
Naturalismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Engelmacherin“ wurde von Karl Henckell, einem deutschen Schriftsteller und Dichter, verfasst, der von 1864 bis 1929 lebte. Henckell war als sozialkritischer Dichter bekannt, der häufig gesellschaftliche Missstände in seinen Werken thematisierte. Das passt auch in den Kontext der Entstehungszeit dieses Gedichts, welches seiner Schaffenszeit Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts zugeordnet werden kann.

Beim ersten Eindruck wirkt das Gedicht durch seine rhythmische Form und den kinderlied-ähnlichen Reim kindlich und unschuldig. Bei genauerem Betrachten zeigt sich jedoch eine dunkle und schmerzliche Thematik.

Inhaltlich handelt das Gedicht von einer Frau, die im Volksmund als „Engelmacherin“ bezeichnet wird. Dies war im frühen 20. Jahrhundert ein Euphemismus für eine Frau, die illegale Abtreibungen durchführte. Das lyrische Ich in diesem Gedicht ist vermutlich diese Engelmacherin. Sie spricht zu den ungeborenen Kindern und erläutert ihren Standpunkt. Sie sieht sich nicht als Missetäterin, sondern als jemand, der den Müttern hilft, ihr Leid zu lindern und gleichzeitig selbst von dieser Situation profitiert.

In Bezug auf die formale Gestaltung ist das Gedicht in drei Strophen mit jeweils acht Versen geteilt. Die einfache Sprache und der gleichbleibende Reim machen das Gedicht leicht lesbar und klingen wie ein Kinderlied. Die dunkle Thematik steht jedoch im Kontrast zur Form und Sprache, was eine ironische Wirkung erzeugt und zur Sozialkritik des Autors passt.

Zusammengefasst kann dieses Gedicht als eine scharfe Kritik an den sozialen Umständen interpretiert werden, die Frauen dazu veranlasst haben, eine illegale Abtreibung in Betracht zu ziehen. Es wirft auch ethische Fragen auf über die Person, die solche Dienste anbietet und daraus Profit schlägt.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die Engelmacherin“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Karl Henckell. Der Autor Karl Henckell wurde 1864 in Hannover geboren. Im Jahr 1886 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in München. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Realismus oder Naturalismus zugeordnet werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 107 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Karl Henckell sind „Majestätsbeleidigung“, „Mein Neujahrswunsch“ und „Suum cuique!“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Engelmacherin“ weitere 21 Gedichte vor.

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