Der geistige Arbeiter in der Inflation von Klabund

Wer nur den lieben Gott läßt walten –
Ich arbeite an einer Monographie über die römischen Laren.
Am Tage liege ich im Bett, um Kohlen zu sparen.
Ich werde ein Honorar von drei Mark erhalten.
Drei Mark! Das schwellt meine Hühnerbrust wie ein Segel.
Ein kleines Vermögen. Ich werde es in einem Taschentuch anlegen.
Wie ich es früher trug und wie die reichen Leute es heute noch tragen.
Um vorwärts zu kommen, muß man eben mal leichtsinnig sein und was wagen.
 
Ein Jahr schon schneuze ich mich in die Hände,
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nun führt der Allerbarmer noch alles zum guten Ende.
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Abends, wenn die Sterne und elektrischen Lichter erwachen,
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da besteige ich des Glückes goldnen Nachen.
 
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Ich stehe am Anhalter Bahnhof. Ergebenster Diener!
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Ich biete Delikateßbockwurst feil und die ff. heißen Wiener.
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Manchmal hab’ ich einen Reingewinn von einer halben Mark.
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Ich lege das Geld auf die hohe Kante. Ich spare für meinen Sarg.
 
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Ein eigener Sarg, das ist mein Stolz
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aus Eschen- oder Eichenholz,
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aus deutscher Eiche. Das Vaterland
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reichte mir hilfreich stets die Vaterhand.
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Begrabt mich in deutschem Holz, in deutscher Erde, im deutschen Wald.
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Aber bald!
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Wie schläft sich’s sanft, wie ruht sich’s gut,
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erlöst von Schwindsucht und Skorbut.
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Herrgott im Himmel, erwache ich zu neuem Leben noch einmal auf Erden:
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Laß mich Devisenhändler, Diamantenschleifer oder Kanalreiniger werden!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.4 KB)

Details zum Gedicht „Der geistige Arbeiter in der Inflation“

Autor
Klabund
Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
26
Anzahl Wörter
220
Entstehungsjahr
1927
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht stammt von Klabund, bürgerlich Alfred Henschke, einem deutschen Schriftsteller und Dichter, der von 1890 bis 1928 lebte. Es wird also in die Zeit der Weimarer Republik, genauer gesagt, in die Zeit der Hyperinflation von 1923, einordnen.

Der erste Eindruck des Gedichts ist, dass es die bittere Realität und das dramatische Leben der geistigen Arbeiter während der Hyperinflation aufgreift und in ironisch-humoristischer Weise darstellt.

Inhaltlich geht es um das Leben eines geistigen Arbeiters während der Zeit der Hyperinflation. Der Arbeiter schreibt eine Monografie, doch die Bezahlung dafür ist so gering, dass er kaum überleben kann. Er muss sogar seinen Lebensstil ändern und seinen eigenen Sarg sparen.

Das lyrische Ich in diesem Gedicht ironisiert seine aktuellen Lebens- und Arbeitsbedingungen und wirkt desillusioniert und resigniert. Es äußert auch seine Wünsche nach Erleichterungen und einer Veränderung seiner beruflichen Situation.

In Bezug auf die Form des Gedichts, es besteht aus vier Strophen mit unterschiedlicher Länge, von vier bis zehn Verse. Die Reimform ist nicht konsequent, es gibt sowohl Paarreime als auch Kreuzreime bzw gar keinen Reim. Die Sprache ist einfach und klar, aber auch voller Ironie und Sarkasmus. Es verwendet Metaphern, um die Situation des geistigen Arbeiters zu veranschaulichen. Der Dichter nutzt zudem den Ausdruck „leichtsinnig sein und was wagen“ um auf die Unberechenbarkeit und Instabilität der damaligen wirtschaftlichen Situation anzuspielen.

Im Ganzen stellt das Gedicht in ironisierender Weise die schwierige Lage der geistigen Arbeiterschaft während der Inflation dar und zeigt ihr Überlebenskampf in einem extremen ökonomischen Umfeld. Es ist ein scharfes Porträt der sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen der Weimarer Republik in den Jahren der Hyperinflation.

Weitere Informationen

Klabund ist der Autor des Gedichtes „Der geistige Arbeiter in der Inflation“. Der Autor Klabund wurde 1890 in Crossen an der Oder geboren. Im Jahr 1927 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zu. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das vorliegende Gedicht umfasst 220 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 26 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Klabund sind „Ad notam“, „Akim Akimitsch“ und „Altes Reiterlied“. Zum Autor des Gedichtes „Der geistige Arbeiter in der Inflation“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 139 Gedichte vor.

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