Versöhnung von Wilhelm Hertz

O laß mich stehn an deinem Grabe!
Ach, nicht das Grab ist's, das uns schied;
Du bist's, die ich geliebet habe,
Und die so bitter mich verriet.
Du bist dahin. - Dir sei vergeben,
Warst du doch einstens all mein Glück.
Die ich verlor im wilden Leben,
Giebt mir der sanfte Tod zurück.
 
Wie oft ein Hauch verklung'ner Lieder
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Uns plötzlich durch die Seele wallt,
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So schau' ich nun dein Antlitz wieder
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Und deine liebliche Gestalt.
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Doch wird dein Lächeln trüb' und trüber,
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Dein schelmisch Auge thränenschwer,
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Du reichst wie einst die Hand herüber
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Und fragst mich: Liebst du mich nicht mehr?
 
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Da kommen all die sel'gen Tage,
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Sie flehen, ach, so süß für dich.
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Ich seh' dich stehn in stummer Klage
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Und seh' dich weinen bitterlich.
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Wie mich dein leichter Sinn betrübe,
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Gewiß, du warst dir's nicht bewußt.
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So drück' ich dich in alter Liebe
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Und fest und ewig an die Brust!
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Versöhnung“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
153
Entstehungsjahr
1835 - 1902
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Versöhnung“ stammt aus der Feder von Wilhelm Hertz, der von 1835 bis 1902 lebte und somit der Epoche des Realismus zuzuordnen ist.

Bereits beim ersten Lesen fällt die melancholische und dennoch irgendwie hoffnungsvolle Note des Gedichts auf. Das lyrische Ich beschreibt nostalgische Emotionen und bittersüße Erinnerungen an eine geliebte Person, die nun verstorben ist.

Das Gedicht besteht aus drei Strophen mit jeweils acht Versen. In der ersten Strophe spricht das lyrische Ich an das Grab der Geliebten und betont, dass nicht der Tod, sondern der Verrat der Geliebten sie getrennt hat. Trotz allem ist er bereit, ihr zu vergeben, da sie einmal sein Glück ausmachte und der „sanfte Tod“ ihre Fehler auslöscht.

In der zweiten Strophe wird das lyrische Ich überschwemmt von Erinnerungen an die Geliebte, fast so, als ob ihre Präsenz noch immer spürbar ist. Er nimmt sogar eine Veränderung in ihrem Lächeln wahr und stellt sich vor, sie würde ihm ihre Hand reichen und fragen, ob er sie nicht mehr liebe.

Die dritte Strophe beschreibt, wie die Erinnerungen an die glücklichen Tage der Vergangenheit das lyrische Ich überwältigen. Er sieht die Geliebte weinen und bereut ihre Unachtsamkeit, die er ihr jedoch nicht vorwirft. Stattdessen versichert er der Geliebten seine unveränderliche Liebe und hält sie in Gedanken fest umarmt.

Formal gesehen ist das Gedicht in einer regelmäßigen Strophen- und Versform verfasst, was das Grundthema der Versöhnung und der unauslöschlichen Liebe unterstreicht. Die Sprache ist trostvoll und liebevoll zugleich, kraftvoll und einfühlsam in ihren Beschreibungen und bildreichen Metaphern. Es wird eine hohe emotionale Tiefe und eine starke persönliche Bindung des lyrischen Ichs an die Geliebte erkennbar. Die Wahl der Worte und die Bilder, die erzeugt werden, zeugen von einer tief empfundenen Liebe und dem eindringlichen Wunsch, die Geliebte bei sich zu haben, wenn auch nur in Gedanken.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Versöhnung“ des Autors Wilhelm Hertz. 1835 wurde Hertz in Stuttgart geboren. Zwischen den Jahren 1851 und 1902 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zu. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 153 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Wilhelm Hertz sind „Am Grabe meiner Mutter“, „Geist der Jugend“ und „Am Sarge eines jungen Mädchens“. Zum Autor des Gedichtes „Versöhnung“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 11 Gedichte vor.

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