Begegnung von Wilhelm Hertz

Du hat mich längst verlassen,
Längst hin ist Lust und Weh;
Doch rührt mein Herz sich leise,
Wenn ich dein Antlitz seh.
 
Dein Reiz ist lang verwelket,
Mir blühet ewig jung
Auf deinen bleichen Wangen
Sel'ge Erinnerung.
 
Es steht die alte Gasse
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Sehnsüchtig vor mir da,
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Wo ich am Sonntagmorgen
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Zum erstenmal dich sah.
 
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Die abendliche Laube
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Ergrünt in goldnen Strahl,
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Da ich dein rosig Antlitz
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Geküßt zum erstenmal.
 
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Und alle Liebespfade
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Eröffnen sich vor mir,
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Die ich in blauen Tagen
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Gewandelt einst mit dir.
 
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All deiner Liebe denk ich,
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Der Falschheit denk ich nicht!
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Mir weht wehmüt'ger Friede
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Vn deinem Angesicht;
 
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Dein Herz nur möcht ich fragen
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Ob es nun glücklich sei;
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Da blickst du bang zu Boden,
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Ich gehe rasch vorbei.
 
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Du hast mich längst verlassen,
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Längst hin ist Lust und Weh;
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Doch rührt mein Herz sich leise,
32 
Wenn ich dein Antlitz seh.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „Begegnung“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
145
Entstehungsjahr
1835 - 1902
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht stammt von dem deutschen Autor Wilhelm Hertz, der von 1835 bis 1902 lebte. Hertz gehörte zur Epoche des Realismus, einer literarischen Strömung, welche durch eine realistische, genau beobachtende und detaillierte Darstellungsweise des Alltags gekennzeichnet ist.

Auf den ersten Blick fällt auf, dass das Gedicht melancholisch und sehnsuchtsvoll wirkt. Es dreht sich mehrheitlich um eine nicht mehr existierende, aber immer noch innig erinnerte Liebesbeziehung. Das lyrische Ich reflektiert seine Gefühle und Erinnerungen an eine vergangene Liebe und die damit verbundenen gemeinsamen Erlebnisse. Während die Liebe nicht mehr besteht und die Lust und der Schmerz mit der Zeit vergangen sind, wühlen die Erinnerungen und der Anblick des geliebten Antlitzes immer noch Gefühle auf.

Das Gedicht konzentriert sich vor allem auf die dauerhafte Wirkung der Erinnerungen, die trotz der vergangenen Zeit und der Veränderungen im Leben, immer noch präsent sind. Auch wenn die Schönheit der Geliebten mit der Zeit verblasst ist, bleibt die Erinnerung an sie im Herzen des lyrischen Ichs ewig jung und lebendig.

Die Form des Gedichts mit vier Versen pro Strophe und insgesamt acht Strophen stellt eine regelmäßige Struktur dar, welche der Wiederkehr der Erinnerungen und Gefühlen im Leben des lyrischen Ichs entsprechen könnte. Der abschließende Vers wiederholt den ersten Vers der ersten Strophe und betont so die fortwährende emotionale Verbundenheit trotz der Trennung.

In Bezug auf die Sprache fällt auf, dass das Gedicht in einem eher schlichten und gut verständlichen Deutsch verfasst ist. Es werden starke Bilder und Metaphern verwendet, die den emotionalen Gehalt des Textes unterstreichen. So bildet zum Beispiel der Vergleich der Geliebten mit einer verwelkten Blüte eine eindringliche Metapher für den Verlust der Schönheit und Jugend. Der Text ist geprägt von einer melancholischen und poetischen Atmosphäre, die eindringlich die Sehnsucht und Trauer des lyrischen Ichs kommuniziert.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Begegnung“ des Autors Wilhelm Hertz. Geboren wurde Hertz im Jahr 1835 in Stuttgart. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1851 und 1902. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das 145 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Wilhelm Hertz sind „Herbsthimmel“, „Der welke Kranz“ und „Am Grabe meiner Mutter“. Zum Autor des Gedichtes „Begegnung“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 11 Gedichte vor.

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