Der Blinde von Klabund

Sie nennen immer eine Farbe
Und nennen etwas rot und bunt,
Und golden sei die Garbe
Und blau des Himmels riesig Rund.
Was weiß denn ich von Rose, Mensch und Ziege?
Mir ist die Welt ein trübes Loch,
In das ich mit gebrochnen Gliedern kroch,
Und nun, ein stummer Stein, am Boden liege.
Sie sagen, ich hätte Augen. Wo,
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Wo sind sie? Sie sagen immer: sehen,
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Und meinen: mit Gedanken weit über die Wiese gehen.
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Sie lachen mich aus: Blinder, sei froh,
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Daß du die Welt nicht siehst, häßlich ist sie und schwarz.
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Aber schwarz: was ist das? Ich wüßt es, wenn ich sehend wär.
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Ich fühle nur dies: ich bin mir selbst so lastend schwer
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Vom Baume meines Seins tropft meine Seele wie Harz.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.1 KB)

Details zum Gedicht „Der Blinde“

Autor
Klabund
Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
125
Entstehungsjahr
1913
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht wurde von Alfred Henschke, bekannt als Klabund, geschrieben und stammt aus der Zeit der frühen Moderne des frühen 20. Jahrhunderts. Klabund lebte von 1890 bis 1928.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht düster und schwermütig. Es handelt offensichtlich von einer blinden Person, dem lyrischen Ich, das seine Gefühle und Gedanken ausdrückt und die Welt so beschreibt, wie sie es wahrnimmt.

Einfach gesagt handelt das Gedicht von der Sichtweise und der Wahrnehmung eines blinden Menschen. Die Hauptfigur wird immer wieder mit Farben konfrontiert, die die Menschen um ihn herum benennen, und dennoch kann er sie sich nicht vorstellen oder begreifen, da er sie nie gesehen hat. Das lyrische Ich beschreibt seine Isolation und Verzweiflung, seine Welt ist „ein trübes Loch“. Er fühlt sich von der Gesellschaft ausgelacht und versteht nicht, warum er glücklich sein soll, die Welt nicht zu sehen. Seine einzige Wahrnehmung ist sein eigenes Gewicht, seine Schwere und die Tropfen seiner Seele, die von seinem Sein abfallen.

Die Form des Gedichts ist in recht freier Form verfasst, ohne einen konkreten Reim- oder Strophenplan zu verfolgen.

Es weist jedoch eine rhythmische Struktur auf, die die Melancholie und das Gewicht in der Stimmung des Sprechers verstärkt.

Die Sprache des Gedichts ist schlicht aber bildhaft. Die Verwendung von Farben und visuellen Bildern wie dem riesigen runden Himmel verstärkt die Ironie und das Leid des blinden Sprechers. Andere Metaphern wie „trübes Loch“ und „stummer Stein“ betonen die Isolation und die Ohnmacht des lyrischen Ichs. Die Wiederholung von Fragen („Sie sagen, ich hätte Augen. Wo, Wo sind sie?“) zeigt die Verwirrung und Frustration des Sprechers.

Insgesamt lässt das Gedicht von Klabund den Leser die Welt aus der Perspektive eines blinden Menschen erleben und regt zum Nachdenken über Wahrnehmung, Isolation und Empathie an.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Blinde“ des Autors Klabund. Der Autor Klabund wurde 1890 in Crossen an der Oder geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1913 zurück. Erschienen ist der Text in Berlin. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 125 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 16 Versen mit nur einer Strophe. Der Dichter Klabund ist auch der Autor für Gedichte wie „Ballade“, „Baumblüte in Werder“ und „Bauz“. Zum Autor des Gedichtes „Der Blinde“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 139 Gedichte vor.

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