Des Knaben Segen von Ernst Moritz Arndt

Wir haben den Knaben ins Gras gelegt.
Wie der Schelm sich lustig bewegt!
Wie er strebet mit Händen und Füßen!
Will mit Gewalt hinein in den süßen
Taumel, der um ihn summt und schwirrt!
Wie ihm das Auge lebendig wird!
Läßt es in der Entzückung schweifen
In des Lichts unermeßlichem Blau,
Möchte alles so gern genau
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Mit den Fingern und Augen greifen,
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Möchte in das fröhliche Leben
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Hinein mit Schwalben und Bienen schweben,
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Möchte sich stürzen nimmersatt
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In der Welten unendliches Bad!
 
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Kleiner Unschuldiger, halte still!
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Dein Geschlecht kann nicht, was es will.
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Ach! wie schimmert dir, süßer Knabe,
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In dem Blick die gefährliche Gabe,
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Alles zu fassen mit inniger Lust,
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Alles zu ziehen in die Brust!
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Wirst den unendlichen Durst nicht stillen,
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Wirst die unendliche Brust nicht füllen.
 
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Spiele denn die fröhliche Zeit,
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Ehe der Lenz mit den Blumen verschneit,
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Ehe die süße Nachtigall schweigt
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Und der Sommer mit Wettern zeucht.
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O wie wird's dann dem Busen enge!
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Wie ist auf dem Wege so heiß das Gedränge!
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Ein stetes Fluchen und Stoßen und Treiben
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Kannst nicht fliehen und kannst nicht bleiben,
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Darfst nicht lieben und sollst nicht hassen
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Wo soll das geängstete Herz sich lassen?
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Flehend suchet das Aug' umher,
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Wie der Wehrlose nach dem Speer,
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Sehnst dich hinaus aus dem wilden Getümmel
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Unter der Kindheit freundlichen Himmel
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Zu dem Steckenpferde, zum Ball,
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Wünschest, daß in der stillen Erde,
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Ferne von Sonne und Vogelschall,
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Dir die Ruhe gegraben werde.
 
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Wir haben den Knaben gesetzt auf die Bühne,
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Worauf er künftig spielen soll.
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Es gehe dem Unschuldigen wohl!
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Wir vertrauen ihn dir, Erde du grüne,
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Dir, leuchtender Himmel, liebevoll.
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Wollet ihm kindlich das Herz bewahren
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In der Verschuldung bösen Jahren!
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Wollet ihn machen liebereich!
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So bleibt das Herz ihm fromm und weich.
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Großes Schicksal, das machtig waltet
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Und das Leben verborgen gestaltet,
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Nimm die lächelnde Unschuld hin!
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Gesund ist sein Leib, gesund sein Sinn,
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Ist in süßer Liebe geboren
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Laß ihn freundlich führen die Horen!
 
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Wir haben zu den Göttern gebetet,
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Drum leise um das Kindlein tretet.
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Es ist von Himmel und Erde gesegnet,
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Vom Schicksal, das uns still begegnet.
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Drum weicher, als des Kranken Kissen,
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Sei um die Kindheit das Gewissen!
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Sie gleichet wohl dem süßen Mai,
63 
Liebt süße Gesänge und kein Geschrei,
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Mag still schauend in Blumen liegen
65 
Und läßt sich spielend in Schlummer wiegen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.2 KB)

Details zum Gedicht „Des Knaben Segen“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
65
Anzahl Wörter
387
Entstehungsjahr
1801
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Des Knaben Segen“ stammt von Ernst Moritz Arndt, der zwischen 1769 und 1860 lebte, was das Werk in die Periode der Romantik einordnet.

Beim ersten Lesen erweckt das Gedicht den Eindruck einer liebevollen Beobachtung eines spielenden Kindes, zeitgleich wird jedoch auch der Blick auf dessen Zukunft und die daraus resultierenden Herausforderungen und Schwierigkeiten gelenkt.

Inhaltlich geht es vor allem um das Thema Kindheit und den Übergang ins Erwachsensein. Das lyrische Ich beobachtet den Spieltrieb und die Neugier eines Kindes, welches mit Begeisterung und Entdeckerdrang die Welt um sich herum erforscht und sich völlig in dieser verliert (Strophe 1). Gleichzeitig weist es das Kind darauf hin, dass es trotz seines unbändigen Drangs, alles erfahren und verstehen zu wollen (Strophe 2), seinen kindlichen Neugier nicht vollkommen stillen kann. Es wird eindringlich auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die das Leben im Erwachsenenalter mit sich bringen kann (Strophe 3). Im weiteren Verlauf überlässt das lyrische Ich das Kind seinem Schicksal und wünscht ihm Schutz und Bewahrung seiner kindlichen Unschuld (Strophe 4). In der letzten Strophe betont es schließlich die Wichtigkeit eines sorgsamen Umgangs mit dem Kind und schildert die Kindheit als eine besondere und schützenswerte Phase im Leben.

In Hinblick auf die Form valt auf, dass das Gedicht eindeutig in fünf abgeschlossene Strophen gegliedert ist. Die Länge dieser variert jedoch stark. Die ersten beiden Strophen sind relativ kurz und enthalten jeweils Anmerkungen zur aktuellen Situation und der Zukunft des Kindes. Strophe 3 und 4 dagegen sind deutlich länger und enthalten tiefere Gedankengänge und Ausführungen zur Zukunft des Kindes. Die letzte Strophe zieht noch einmal einen abschließenden Resümee aus allem zuvor Gesagten.

Die Sprache des Gedichts ist bildhaft, detailreich und emotional. Arndt arbeitet vor allem mit symbolischen Metaphern und bildlichen Vergleichen, um die kindliche Unschuld und die mit ihr verbundenen Hochs und Tiefs darzustellen. Außerdem benutzt Arndt ein klares, deutliches und direktes Vokabular, um die Bedeutung und Wert des Themas zu unterstreichen. Im Zusammenhang mit dem luziden Sprachstil des Gedichts wirken diese Elemente eindringlich und nachdenklich, und regen die Leser zur Reflexion über die Themen Kindheit und Erwachsenwerden an.

Zusammenfassend übermittelt Arndt also in „Des Knaben Segen“ die Stärke und die Einzigartigkeit der Kindheit, zugleich aber auch die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens - und betont dabei die Notwendigkeit, diese besondere Lebensphase zu schützen und zu ehren.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Des Knaben Segen“ des Autors Ernst Moritz Arndt. 1769 wurde Arndt in Groß Schoritz (Rügen) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1801 zurück. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Klassik oder Romantik zu. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das vorliegende Gedicht umfasst 387 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 65 Versen. Ernst Moritz Arndt ist auch der Autor für Gedichte wie „Laßt wehen, was nur wehen kann“, „Ballade“ und „Die Zaunranke und der Klee“. Zum Autor des Gedichtes „Des Knaben Segen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 285 Gedichte veröffentlicht.

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