Das Sonntagskind von Frank Wedekind

Stets naht das Glück in lichter Sonnenpracht,
Gleichgültig, kalt vorüber mir zu wandern.
Mein junges Morgenrot verschlingt die Nacht,
Indes ein heller Freudenschimmer lacht
In den verklärten Augen eines Andern.
 
Ein Sonntagskind! – Mir war sie niemals hold,
Die blinde Dame mit den vollen Händen.
So manchen Opferdienst ich ihr gezollt,
Sie schwebt dahin, um Gold und Minnesold
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An ihren Gunstbeglückten zu verschwenden.
 
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O der verruchten Ungerechtigkeit!
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Verzweifelnd reiß’ ich ihr vom Haupt die Binde:
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„Sieh Göttin, sieh auch Diesen dir geweiht!“ –
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Sie starrt mich schaudernd an, sie bebt, sie schreit
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Und flieht entsetzt zu ihrem Sonntagskinde.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „Das Sonntagskind“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
15
Anzahl Wörter
96
Entstehungsjahr
1905
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Sonntagskind“ stammt von Frank Wedekind, einem deutschen Schriftsteller und Schauspieler, der von 1864 bis 1918 lebte. Wedekind zählt zu den wichtigen Vertretern des literarischen Naturalismus sowie der Jahrhundertwende, einer Epoche, die eine Abwendung von den ideellen Bestrebungen des 19. Jahrhunderts darstellt und durch eine verstärkte Hinwendung zu einer sachlichen und objektiven Darstellung der Wirklichkeit gekennzeichnet ist.

Der erste Eindruck des Gedichts stellt eine melancholische und recht verbitterte Stimmung dar. Es scheint, als ob das lyrische Ich seine Unzufriedenheit und Frustration gegenüber der Ungerechtigkeit des Lebens zum Ausdruck bringt.

Der Inhalt des Gedichts dreht sich um das Konzept von Glück und Unglück. Das lyrische Ich scheint komplett aus dem Glück ausgeschlossen zu sein, welches laut dem Gedicht in Gestalt eines Sonntagskinds oder einer günstigen Person dargestellt wird. In den drei Strophen des Gedichts beklagt das lyrische Ich seine Situation, dass es sich stets im Schatten dieses Sonntagskinds befindet und vom Glück der Dame, die als das Glück personifiziert ist, vernachlässigt wird.

Das Gedicht ist formal in drei gleichmäßige Strophen mit jeweils fünf Versen unterteilt. Die Sprache, die Wedekind verwendet, ist sehr malerisch und enthält viele bildliche Elemente, wie zum Beispiel „Stets naht das Glück in lichter Sonnenpracht“, was das Glück als etwas Glänzendes und Strahlendes darstellt. Ebenso wird das lyrische Ich als jemand dargestellt, der trotz seiner Bemühungen das Glück nicht erreichen kann, da es stets an andere weitergegeben wird.

Wedekind verwendet auch eine dramatische Sprache, um die Verzweiflung des lyrischen Ichs zu unterstreichen. So reißt es zum Beispiel der blinden Dame, also dem personifizierten Glück, die Binde ab und schreit sie an, sie möge ihn sehen. Die heftigen, emotionalen Reaktionen des lyrischen Ichs dienen dazu, seine Frustration und seinen Ärger über die empfundene Ungerechtigkeit seiner Situation zu betonen.

Zusammengefasst kann das Gedicht als Ausdruck der tiefen Frustration und Enttäuschung des Dichters hinsichtlich der Ungerechtigkeit des Lebens gelesen werden, wo Glück seltsamerweise nur bestimmten Menschen zuteil wird und andere, trotz ihrer Bemühungen, vernächlässigt werden. Es ist eine tiefe Reflexion über Glück, Unglück und Ungerechtigkeit und zeigt die Fähigkeit Wedekinds, tiefgehende menschliche Emotionen und Konflikte prägnant darzustellen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Das Sonntagskind“ ist Frank Wedekind. Der Autor Frank Wedekind wurde 1864 in Hannover geboren. 1905 ist das Gedicht entstanden. In München ist der Text erschienen. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Wedekind ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 96 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 15 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Weitere Werke des Dichters Frank Wedekind sind „Abschied“, „Abschied“ und „Albumblatt“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Sonntagskind“ weitere 114 Gedichte vor.

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