Und dennoch! von Heinrich Seidel

Lass dein Herz die Flamme meiden,
Und was Eins zum Andren zieht;
Denn du weisst, aus Lieb kommt Leiden,
Denn du kennst das alte Lied.
 
Der dir hold mit goldnem Schimmer
Stand um ein beglücktes Haupt,
Holder Schein - er haftet nimmer,
Und du klagst, wenn er geraubt.
 
Ach, du hast es ja erfahren,
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Und du kennst die sichre Pein
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Kannst dich dennoch nicht bewahren
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Vor dem zaubervollen Schein?
 
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All' der Weisheit graue Lehren,
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Der verständ'ge Unverstand,
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Können nicht der Flamme wehren,
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Wenn sie sich zur Flamme fand!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.1 KB)

Details zum Gedicht „Und dennoch!“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
88
Entstehungsjahr
1842 - 1906
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Und dennoch!“ stammt von Heinrich Seidel, einem deutschen Ingenieur und Schriftsteller, der vom 25. Juni 1842 bis 7. November 1906 lebte. Seidel gehört zur Epoche des Realismus.

Bei der ersten Durchsicht des Gedichts prägt sich ein melancholisch-nüchterner Ton aus. Das lyrische Ich richtet sich in einer Art beratenden Ton an eine unbekannte zweite Person oder vielleicht an sich selbst.

Im ersten Vers der ersten Strophe mahnt das lyrische Ich den Adressaten, die Liebe zu meiden („Lass dein Herz die Flamme meiden“), da aus Liebe Leid entstehen kann („Denn du weisst, aus Lieb kommt Leiden“). Die folgenden Verse drücken einen verlorenen Glanz aus, der einst das Haupt des Adressaten umgab, dieser aber ist nun verschwunden, was Klage und Leid verursacht. Trotz der zuvor gemachten Erfahrungen und des Wissens um das unvermeidliche Leiden („Ach, du hast es ja erfahren, Und du kennst die sichre Pein“) kann das lyrische Ich sich nicht vor der Anziehung und „dem zaubervollen Schein“ der Liebe schützen.

Die letzte Strophe scheint einen Fatalismus auszudrücken, indem sie suggeriert, dass weder Weisheit noch Vernunft der Anziehungskraft der Liebe (hier metaphorisch als Flamme beschrieben) widerstehen können, wenn zwei Flammen aufeinandertreffen („Können nicht der Flamme wehren, Wenn sie sich zur Flamme fand“).

In puncto Form besteht das Gedicht aus vier Vierzeilern; die Reimstruktur erscheint als umarmender Reim (abba). Die Sprache ist relativ einfach, aber bildhaft, mit der wiederkehrenden Metapher der 'Flamme', die sowohl die Anziehung als auch die Gefahr und das mögliche Leid repräsentiert.

Insgesamt vermittelt das Gedicht eine eher pessimistische Sicht auf die Liebe, indem es die unausweichlichen Leiden hervorhebt, die sie mit sich bringen kann. Gleichzeitig wird die unwiderstehliche Anziehungskraft der Liebe betont, der man sich, trotz des Wissens um die möglichen Konsequenzen, nicht entziehen kann. Es scheint eine Paradoxie der menschlichen Existenz zu reflektieren: das Streben nach Liebe trotz der Unausweichlichkeit des damit verbundenen Leidens.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Und dennoch!“ des Autors Heinrich Seidel. Im Jahr 1842 wurde Seidel in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1858 und 1906. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 88 Worte. Heinrich Seidel ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Tod Moltkes“, „Wälder im Walde“ und „Die Schwalbe“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Und dennoch!“ weitere 216 Gedichte vor.

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