Maitrank von Heinrich Seidel

Es rankt die Rebe am rauschenden Rheine,
Die Kräfte der Erde saugt sie empor!
Sie bindet den Sommer und bannt ihn in Beeren,
Sie wendet und wandelt im Wechsel der Wochen
Der Sonne Gefunkel zu flüssigem Feuer,
Der Sonne Gleissen in glänzendes Gold,
Und füllt die Fässer mit feurigen Fluthen,
Der sinkenden Sonne Abschiedsgeschenk.
 
Im dämmernden Walde mit süssen Düften
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Wächst in der Wildniss ein zierliches Würzkraut
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Ein feines Pflänzlein, Waldmeister genannt
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Frühzeitige Düfte des frischen Frühlings,
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Ein Waldeswürzhauch entströmet wohlig
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Dem linden Kräutlein in lieblicher Kraft.
 
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Es mischt nun der Meister mit weisem Maasse
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Das Gold des Herbstes zur Gabe des Frühlings
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Der Sonne Feuer zur Waldeswürze,
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Dass lieblich vereint sich Anfang und Ende.
 
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Das Sonnen-Entsprossne dem Schatten-Enttauchten,
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Die duftende Milde der leuchtenden Macht.
 
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O füllt mir den Becher mit funkelndem Feuer,
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Füllt ihn zum Rande mit goldener Gluth!
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Bei seinen Düften gedenk ich der Jugend
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Der längst entschwundenen lieblichen Zeit,
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Der guten Genossen, der goldenen Tage,
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Denk ich an Frühling und Frohsinn und Freiheit
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Und lieblichen Mondschein und lächelnde Mädchen
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Mit roten Rosen im goldnen Gelock.
 
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O füllt mir noch einmal den funkelnden Becher!
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Ihn bring' ich der Jugend, ihn bring' ich der Liebe
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Dem Schönen, dem Guten, dem heilig Hohen,
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Was hold die Herzen der Edlen erhebt.
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Ihn bring' ich dir, das du Alles umschliessest.
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Dir, du mein deutsches Vaterland!
 
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Dir bring ich den Trank vom rauschenden Rheine
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Mit deines Waldes Düften gewürzt!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Maitrank“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
236
Entstehungsjahr
1842 - 1906
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Der Autor dieses Gedichts ist Heinrich Seidel, ein deutscher Ingenieur und Schriftsteller, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte.

Ein erster Eindruck des Gedichts lässt eine starke Verbindung zur Natur und den Jahreszeiten erkennen. Heinrich Seidel verwendet viele Naturmetaphern, um den Zyklus des Lebens und die Wechselwirkung zwischen Beginn und Ende zu illustrieren.

Das Gedicht beginnt mit der Beschreibung einer Rebe am Rhein, die die Energie der Erde aufnimmt und in ihren Beeren speichert. Die Rebe wandelt die Sonnenstrahlen in flüssiges Feuer und glänzendes Gold um, ein Metapher für Wein. In der zweiten Strophe wird die Beschreibung von Waldmeister eingeführt, ein Kraut, das in der Wildnis wächst und süße Düfte verströmt. In der dritten und vierten Strophe mischt der Dichter das Gold des Herbstes (den Wein) mit der Würze des Frühlings (den Waldmeister), was eine Vereinigung von Anfang und Ende symbolisiert.

In der fünften und sechsten Strophe drückt das lyrische Ich seine Sehnsucht nach der vergangenen Jugend und den guten Zeiten aus, die mit dem Duft des Weins in Verbindung gebracht werden. Schließlich widmet das lyrische Ich den Wein seinem deutschen Vaterland.

In Bezug auf die Form und Sprache des Gedichts ist die häufige Verwendung von Alliterationen und Rhythmustechniken hervorzuheben. Das Gedicht folgt keinem konkreten Reimschema, weist aber einen gleichmäßigen Rhythmus auf. Die Sprache ist bildreich und metaphorisch, wobei die Natur als konstante Quelle von Inspiration dient.

Insgesamt lässt sich sagen, dass das Gedicht „Maitrank“ von Heinrich Seidel ein lyrisches Werk ist, das den Lauf der Jahreszeiten und den Zyklus des Lebens symbolisiert und dabei die Schönheit der Natur und die Erinnerungen an bessere Zeiten feiert. Das Gedicht endet mit einer patriotischen Note, indem der Wein dem deutschen Vaterland gewidmet wird.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Maitrank“ des Autors Heinrich Seidel. Im Jahr 1842 wurde Seidel in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Im Zeitraum zwischen 1858 und 1906 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 236 Worte. Die Gedichte „Der Luftballon“, „April“ und „Die Musik der armen Leute“ sind weitere Werke des Autors Heinrich Seidel. Zum Autor des Gedichtes „Maitrank“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 216 Gedichte vor.

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