Lorbeer und Epheu von Heinrich Seidel

Der nach dem Lorbeer lebenslang gerungen,
Er starb dahin, bevor es ihm gelungen,
Vergebens war sein heissestes Bemühn.
Ein bald vergessnes Grab in stiller Ecke,
Ein Eisenkreuz und eine Rasendecke,
Und drüberhin der Epheu still und grün.
 
Der Epheu steigt, das Eisen zu umspinnen
Und klettert auf, die Höhe zu gewinnen
So unablässig wie einst jener Mann,
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Der seine Träume in die Lüfte baute
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Und nie die liebliche Erfüllung schaute,
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Vergeblich strebte, dichtete und sann.
 
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Der Epheu wächst, nicht weiter kann er steigen
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Er tastet in die Luft mit seinen Zweigen,
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Und in die Runde geht er hoch und breit
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Wie eines Lorbeerbaumes stolze Krone,
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So wölbt er sich dem, der da ruht, zum Lohne
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Ach, nur ein Lorbeer der Vergessenheit!
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Lorbeer und Epheu“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
18
Anzahl Wörter
121
Entstehungsjahr
1842 - 1906
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Lorbeer und Epheu“ stammt von Heinrich Seidel, einem deutschen Schriftsteller, der im späten 19. Jahrhundert tätig war. Seidel ist insbesondere für seine naturalistischen und realistischen Werke bekannt.

Bereits beim ersten Lesen hinterlässt das Gedicht einen melancholischen Eindruck. Es behandelt Motive wie Scheitern, Tod und Vergessen. Ein Blick auf den Inhalt bestätigt diesen ersten Eindruck: Das lyrische Ich beschreibt eine Figur, die ihr Leben lang nach dem „Lorbeer“, also nach Ruhm, Anerkennung oder Erfolg, strebt. Jedoch erreicht diese Person ihr Ziel nicht und stirbt, bevor es ihr gelingt.

In der folgenden Strophe setzt Seidel das Schicksal des Menschen mit dem Wachstum des Epheu-Pflanze in Parallele: Der Epheu, der auf das Grab des verstorbenen Strebers wächst und das Eisenkreuz umschlingt, steigt unaufhörlich empor - genau wie der verstorbene Mensch einst seine Träume „in die Lüfte baute”. Doch genau wie der Verstorbene schafft auch der Epheu es nicht, die letzte Höhe – seine angestrebte Erfüllung – zu erreichen.

Das Gedicht schließt mit einer bitteren Ironie: Der Epheu breitet sich über das Grab aus und bildet so etwas wie eine „Krone“, die an die Form eines Lorbeerbaumes erinnert - genau jenes Symbols, nach dem die verstorbene Person einst gestrebt hatte. Doch ist diese Krone nur ein „Lorbeer der Vergessenheit“, da der Verstorbene in der Welt der Lebenden vergessen ist.

Die Form und Sprache des Gedichts sind charakteristisch für Seidels Schreibstil. Das Gedicht besteht aus drei Strophen mit jeweils sechs Versen, die ein durchgehendes metrisches Muster aufweisen. Der Sprachstil ist dabei klar und präzise, jedoch gleichzeitig auch stark durch Bildlichkeit gekennzeichnet. Seidel verwendet eine Reihe von Metaphern (Lorbeer als Symbol für Erfolg, Epheu und Eisenkreuz als Symbole für Tod und Vergessen), um sein Thema zu veranschaulichen. Er nutzt die Natur als Spiegel für menschliche Erfahrungen und Emotionen, eine für den Realismus typische Technik.

Zusammenfassend handelt es sich bei „Lorbeer und Epheu“ um ein melancholisches Gedicht über das Scheitern und Vergessen. Durch seine starke Bildlichkeit und seine meisterhafte Anwendung von Naturmetaphern liefert Seidel eine eindringliche Darstellung von menschlichem Streben und menschlicher Vergänglichkeit.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Lorbeer und Epheu“ ist Heinrich Seidel. Der Autor Heinrich Seidel wurde 1842 in Perlin (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Zwischen den Jahren 1858 und 1906 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Realismus, Naturalismus oder Moderne zuordnen. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 121 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 18 Versen. Der Dichter Heinrich Seidel ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Tod Moltkes“, „Wälder im Walde“ und „Die Schwalbe“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Lorbeer und Epheu“ weitere 216 Gedichte vor.

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