Zu einer Totenfeier für Arnold Böcklin von Hugo von Hofmannsthal

Nun schweig, Musik! Nun ist die Szene mein,
Und ich will klagen, denn mir steht es zu!
Von dieser Zeiten Jugend fließt der Saft
In mir; und er, des Standbild auf mich blickt,
War meiner Seele so geliebter Freund!
Und dieses Guten hab ich sehr bedurft,
Denn Finsternis ist viel in dieser Zeit,
Und wie der Schwan, ein selig schwimmend Tier,
Aus der Najade triefend weißen Händen
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Sich seine Nahrung küßt, so bog ich mich
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In dunklen Stunden über seine Hände
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Um meiner Seele Nahrung: tiefen Traum.
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Schmück ich dein Bild mit Zweig und Blüten nur?
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Und du hast mir das Bild der Welt geschmückt
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Und aller Blütenzweige Lieblichkeit
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Mit einem solchen Glanze überhöht,
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Daß ich mich trunken an den Boden warf
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Und jauchzend fühlte, wie sie ihr Gewand
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Mir sinken ließ, die leuchtende Natur!
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Hör mich, mein Freund! Ich will nicht Herolde
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Aussenden, daß sie deinen Namen schrein
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In die vier Winde, wie wenn Könige sterben:
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Ein König läßt dem Erben seinen Reif
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Und einem Grabstein seines Namens Schall.
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Doch du warst solch ein großer Zauberer,
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Dein Sichtbares ging fort, doch weiß ich nicht,
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Was da und dort nicht alles von dir bleibt,
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Mit heimlicher fortlebender Gewalt
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Sich dunklen Auges aus der nächtigen Flut
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Zum Ufer hebt – oder sein haarig Ohr
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Hinter dem Efeu horchend reckt, drum will ich
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Nie glauben, daß ich irgendwo allein bin,
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Wo Bäume oder Blumen sind, ja selbst
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Nur schweigendes Gestein und kleine Wölkchen
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Unter dem Himmel sind: leicht daß ein Etwas,
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Durchsichtiger wie Ariel, mir im Rücken
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Hingaukelt, denn ich weiß: geheimnisvoll
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War zwischen dir und mancher Kreatur
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Ein Bund geknüpft, ja! und des Frühlings Au,
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Siehe, sie lachte dir so wie ein Weib
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Den anlacht, dem sie in der Nacht sich gab!
 
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Ich meint um dich zu klagen, und mein Mund
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Schwillt an von trunkenem und freudigem Wort:
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Drum ziemt mir nun nicht länger hier zu stehen.
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Ich will den Stab dreimal zu Boden stoßen
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Und dies Gezelt mit Traumgestalten füllen.
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Die will ich mit der Last der Traurigkeit
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So überbürden, daß sie schwankend gehn,
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Damit ein jeder weinen mag und fühlen:
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Wie große Schwermut allem unsern Tun
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Ist beigemengt.
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Es weise euch ein Spiel
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Das Spiegelbild der bangen, dunklen Stunde,
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Und großen Meisters trauervollen Preis
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Vernehmet nun aus schattenhaftem Munde!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.2 KB)

Details zum Gedicht „Zu einer Totenfeier für Arnold Böcklin“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
55
Anzahl Wörter
379
Entstehungsjahr
1892
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht stammt von Hugo von Hofmannsthal, einem österreichischen Schriftsteller und Dramaturgen, der in der Zeit des Fin de Siècle, also am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, wirkte. Es ist eine Totenfeier für den Schweizer Maler Arnold Böcklin, der ebenfalls in der gleichen Epoche tätig war.

Auf den ersten Blick lässt das Gedicht eine tiefe Traurigkeit und Ehrerbietung gegenüber dem Verstorbenen erkennen. Hofmannsthal würdigt mit regelrechter Idolaträdie Böcklins Werk und Einfluss auf seine eigene Persönlichkeit und Schaffenskraft.

Inhaltlich besteht das Gedicht aus zwei großen Strophen. In der ersten geht es um die innige persönliche Verbindung Hofmannsthals zu Böcklin und seiner Kunst. Er betont den Wert und die Inspiration, den er aus Böcklins Werk zieht und betrauert den Verlust seines Freundes und Mentors. Im weiteren Verlauf betont er Böcklins kunstlerischen Einfluss und dessen Fortleben auch jenseits seines Todes.

Die zweite Strophe hat einen eher introspektiven Charakter. Der lyrische Sprecher reflektiert über seine eigenen Gefühle, seine tiefe Traurigkeit und die Schwierigkeit, dieses Leid in Worte zu fassen. Er beendet seine Worte mit dem Wunsch, dass sein Schmerz durch das von ihm inszenierte Spiel vermittelt wird, um letztlich seinen Respekt und seine Ehrerbietung gegenüber dem großen Meister zum Ausdruck zu bringen.

Sprachlich ist das Gedicht in einem erhöhten, bildreichen Ausdruck verfasst. Es enthält zahlreiche Metaphern und Vergleiche. So wird etwa Böcklin's Auswirkung auf Hofmannsthal im Vergleich zum lebensspendenden Saft und Böcklins künstlerisches Erbe ist als mysteriöse Kreatur dargestellt, die weiterlebt. Hofmannsthal verwendet eine rhapsodisch-elegische, pathosschwangere Sprache in Anlehnung an die Tradition der antiken Dichtung, womit er der Größe Böcklin's Ausdruck verleiht.

Insgesamt ist das Gedicht eine tiefe Verbeugung vor Arnold Böcklin und seinem künstlerischen Einfluss. Hofmannsthal überhöht ihn dabei fast zu einer Art Demigott und betont gleichzeitig die Tragik seiner eigenen Trauer und des Verlusts. Es kann daher als Ausdruck der Bewunderung und Verehrung sowie gleichzeitig als Trauergedicht interpretiert werden. Das Gedicht ist somit weniger eine detaillierte Schilderung von Böcklins Leben oder Werk sondern vielmehr Hofmannsthals persönliche Hommage an ihn.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Zu einer Totenfeier für Arnold Böcklin“ ist Hugo von Hofmannsthal. 1874 wurde Hofmannsthal in Wien geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1892 entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Moderne zuordnen. Der Schriftsteller Hofmannsthal ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 55 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 379 Worte. Hugo von Hofmannsthal ist auch der Autor für Gedichte wie „Die beiden“, „Ein Knabe“ und „Ein Traum von großer Magie“. Zum Autor des Gedichtes „Zu einer Totenfeier für Arnold Böcklin“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 40 Gedichte vor.

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