Des alten Mannes Sehnsucht nach dem Sommer von Hugo von Hofmannsthal
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Wenn endlich Juli würde anstatt März, |
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Nichts hielte mich, ich nähme einen Rand, |
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Zu Pferd, zu Wagen oder mit der Bahn |
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Käm ich hinaus ins schöne Hügelland. |
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Da stünden Gruppen großer Bäume nah, |
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Platanen, Rüster, Ahorn oder Eiche: |
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Wie lang ists, daß ich keine solchen sah! |
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Da stiege ich vom Pferde oder riefe |
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Dem Kutscher: Halt! und ginge ohne Ziel |
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Nach vorwärts in des Sommerlandes Tiefe. |
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Und unter solchen Bäumen ruht ich aus; |
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In deren Wipfel wäre Tag und Nacht |
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Zugleich, und nicht so wie in diesem Haus, |
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Wo Tage manchmal öd sind wie die Nacht |
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Und Nächte fahl und lauernd wie der Tag. |
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Dort wäre Alles Leben, Glanz und Pracht. |
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Und aus dem Schatten in des Abendlichts |
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Beglückung tret ich, und ein Hauch weht hin, |
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Doch nirgend flüsterts: »Alles dies ist nichts.« |
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Das Tal wird dunkel, und wo Häuser sind, |
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Sind Lichter, und das Dunkel weht mich an, |
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Doch nicht vom Sterben spricht der nächtige Wind. |
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Ich gehe übern Friedhof hin und sehe |
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Nur Blumen sich im letzten Scheine wiegen, |
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Von gar nichts anderm fühl ich eine Nähe. |
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Und zwischen Haselsträuchern, die schon düstern, |
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Fließt Wasser hin, und wie ein Kind, so lausch ich |
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Und höre kein »Dies ist vergeblich« flüstern! |
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Da ziehe ich mich hurtig aus und springe |
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Hinein, und wie ich dann den Kopf erhebe, |
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Ist Mond, indes ich mit dem Bächlein ringe. |
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Halb heb ich mich aus der eiskalten Welle, |
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Und einen glatten Kieselstein ins Land |
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Weit schleudernd steh ich in der Mondeshelle. |
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Und auf das mondbeglänzte Sommerland |
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Fällt weit ein Schatten: dieser, der so traurig |
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Hier nickt, hier hinterm Kissen an der Wand? |
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So trüb und traurig, der halb aufrecht kauert |
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Vor Tag und böse in das Frühlicht starrt |
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Und weiß, daß auf uns beide etwas lauert? |
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Er, den der böse Wind in diesem März |
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So quält, daß er die Nächte nie sich legt, |
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Gekrampft die schwarzen Hände auf sein Herz? |
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Ach, wo ist Juli und das Sommerland! |
Details zum Gedicht „Des alten Mannes Sehnsucht nach dem Sommer“
Hugo von Hofmannsthal
16
44
323
1905
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Des alten Mannes Sehnsucht nach dem Sommer“ wurde von Hugo von Hofmannsthal, einem prominenten österreichischen Dichter der Jahrhundertwende, verfasst. Hofmannsthal war ein wichtiger Vertreter des Symbolismus und der Wiener Moderne, der von 1874 bis 1929 lebte. Aufgrund des Schreibstils des Gedichts und seiner Thematik kann es der Spätphase von Hofmannsthals Schaffen zugeordnet werden.
Auf den ersten Blick fällt die detaillierte und lebendige Beschreibung der Landschaft und der Jahreszeiten auf, welche die Gefühle des lyrischen Ichs widerspiegeln. Insbesondere das Thema der Sehnsucht und die Kontrastierung von Sommer und Winter vermitteln eine melancholische Stimmung.
Das lyrische Ich beschreibt seine Sehnsucht nach dem Sommer und die Schönheit der Natur in dieser Jahreszeit, was eine Metapher für das Leben und die Jugend sein könnte. Der alte Mann sehnt sich nach der Freude, der Wärme und dem Leben des Sommers, während er sich im kalten, tristen März gefangen fühlt. Er sehnt sich nach der Bewegung und der Energie des Sommers, repräsentiert durch Bilder von Bäumen, Tieren, Licht und Schatten. Dies kann als Wunsch interpretiert werden, dem Tod und der Einsamkeit des Alters zu entkommen.
In Bezug auf die Form hat das Gedicht einen strukturierten Aufbau mit einer regelmäßigen Anzahl von Versen in jeder Strophe. Die Vielfalt der Metren und Reime verleihen dem Gedicht einen fließenden Rhythmus, der die Sehnsucht und das Verlangen des lyrischen Ichs verstärkt.
Die Sprache ist reich an detailreichen Bildern und Metaphern, die sowohl die Intensität der Emotionen des lyrischen Ichs als auch die Schönheit der Natur hervorheben. Die Verwendung von personifizierten Elementen, wie zum Beispiel dem „bösen Wind“, suggeriert eine intensive Verbindung zwischen dem lyrischen Ich und seiner Umwelt und reflektiert seine inneren Gefühle und Ängste.
Schließlich endet das Gedicht mit der schmerzhaften Erinnerung an die realen, physischen Leiden des alten Mannes und seiner Sehnsucht nach dem verlorenen „Sommerland“. Es konfrontiert den Leser damit, dass das Innenleben des lyrischen Ichs eine Flucht von der harten Realität des Alterns und der Sterblichkeit ist.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Des alten Mannes Sehnsucht nach dem Sommer“ ist Hugo von Hofmannsthal. Hofmannsthal wurde im Jahr 1874 in Wien geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1905 zurück. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Der Schriftsteller Hofmannsthal ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 16 Strophen und umfasst dabei 323 Worte. Der Dichter Hugo von Hofmannsthal ist auch der Autor für Gedichte wie „Auf den Tod des Schauspielers Hermann Müller“, „Ballade des äußeren Lebens“ und „Botschaft“. Zum Autor des Gedichtes „Des alten Mannes Sehnsucht nach dem Sommer“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 40 Gedichte vor.
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