Liebeslied von Walther von der Vogelweide

Unter der Linden
an der Haide,
wo wir Zwei zusammen geruht,
möget ihr finden
abgepflückt beide
Blumen und Gras in fröhlichem Muth.
Vor dem Wald im Thale klang,
tandaradei,
süß der Nachtigall Gesang.
 
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Niedergegangen
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kam ich zur Aue:
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wo mein Trauter so lange schon war.
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Ich ward empfangen,
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heilige Fraue,
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daß ich bin selig immerdar.
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Küsse auch? tausendmal mich küßt’ er.
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Tandaradei.
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Seht, mein Mund wie roth noch ist er.
 
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Ein Lager machte
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zu unserer Lust
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aus Blumen er und Blüthen dort.
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Wohl mancher lachte
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aus voller Brust,
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führt ihn sein Weg zum selben Ort.
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Bei den Rosen er wohl mag,
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tandaradei,
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sehen, wo das Haupt mir lag.
 
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Daß wir da lagen,
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wüßt’ es einer,
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Gott verhüt’ es, ich schämte mich.
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Wessen wir pflagen,
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keiner, keiner
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merke das, als er und ich,
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und ein kleines Vögelein.
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Tandaradei,
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das wird wohl verschwiegen sein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.1 KB)

Details zum Gedicht „Liebeslied“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
142
Entstehungsjahr
nach 1186
Epoche
Hochmittelalter

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Liebeslied“ stammt von dem mittelalterlichen Dichter Walther von der Vogelweide, der zwischen 1170 und 1230 lebte, womit es zeitlich in die Hochmittelalterliche Epoche einzuordnen ist.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht wie eine romantische Erinnerung an ein geheimes Liebestreffen in der Natur. Es vermittelt durch seine konkrete Schilderung der Szenerie und die lyrische Sprache ein Stimmungsbild von idyllischer, jugendlicher Liebe und Unschuld.

Der Inhalt des Gedichts handelt von einem Treffen zweier Liebender in der Natur. Sie haben ihre Zeit unter einer Linde an der Heide verbracht, wo sie nebeneinander ruhten und Blumen pflückten. Die Nachtigall singt und die Stimmung ist fröhlich und sorglos. Im zweiten Abschnitt erzählt das lyrische Ich, eine Frau, dass sie zu diesem Ort kam, wo ihr Geliebter schon auf sie wartete. Er begrüßte sie mit Küssen und sie empfand das als höchste Seligkeit. Der dritte Abschnitt schildert, dass ihr Geliebter ein Liebeslager aus Blumen und Blüten für sie beide vorbereitet hatte. Niemand außer ihnen beiden und einem kleinen Vögelchen wusste von diesem Liebesnest. Die Frau betont jedoch, dass sie sich schämen würde, wenn jemand von ihrem Liebesabenteuer erfahren würde.

Im Hinblick auf die Form lässt sich feststellen, dass das Gedicht in 4 gleichlange Strophen mit jeweils 9 Versen aufgeteilt ist. Die Struktur ist also sehr stringent, was eine gewisse Ordnung und Harmonie vermittelt, die gut zum romantischen Inhalt des Gedichts passt. Das Gedicht enthält keinen auffallenden Reim, sondern folgt eher einem Rhythmus, der durch die Wiederholung des Wortes „tandaradei“ unterstützt wird - möglicherweise ein Onomatopoeikum, das den Gesang der Nachtigall darstellen soll.

Die Sprache des Gedichts ist mittelhochdeutsch und daher für heutige Leser wohl etwas schwer verständlich. Sie lässt durch ihre konkrete und malerische Darstellung der Natur und der Liebenden jedoch eine sehr romantische Atmosphäre entstehen. Einige Formulierungen scheinen dabei eher verklausuliert - so wird etwa nicht direkt von Sex gesprochen, sondern dies lediglich mit dem Bild des gepflückten Blumen und Gras angedeutet. Dies verleiht dem Gedicht zugleich eine gewisse Unschuld und Behutsamkeit in der Darstellung der Liebe, die gut zum Gesamteindruck des romantischen Liebesszenarios passt.

Weitere Informationen

Walther von der Vogelweide ist der Autor des Gedichtes „Liebeslied“. Der Autor Walther von der Vogelweide wurde 1170 in Österreich geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1186 bis 1230 entstanden. Erschienen ist der Text in Halle/S.. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Hochmittelalter kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Vogelweide ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 142 Worte. Der Dichter Walther von der Vogelweide ist auch der Autor für Gedichte wie „Under der linden“, „Unter der Linden“ und „Do der sumer komen was“. Zum Autor des Gedichtes „Liebeslied“ haben wir auf abi-pur.de weitere 13 Gedichte veröffentlicht.

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