Mein Vorsatz von Christian Felix Weiße

Wie sehr lieb ich mein Mädchen nicht!
Sie hat ein allerliebst Gesicht,
Zu schön, um es recht zu beschreiben:
Doch daß, wenn sie mir untreu wär,
Ich drüber den Verstand verlöhr:
Das laß ich wohl bleiben.
 
Ich trinke gern ein Gläßgen Wein,
Schenkt mir Freund oder Mädchen ein,
Darzu laß ich mich niemals treiben:
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Doch daß ich Nächte lang dieß trieb,
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Und morgen mir die Stirne rieb:
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Das laß ich wohl bleiben.
 
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Ich wünschte mir ein eigen Haus,
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Und theilte gern auch Gnaden aus
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Ließ Hypothecken mir verschreiben;
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Doch daß durch niedrigen Gewinn
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Ich reicher würd, als ich jetzt bin:
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Das laß ich wohl bleiben.
 
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Mit einer Frau von vielem Geld,
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Hat sie noch sonst, was mir gefällt,
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Würd ich mich allenfalls beweiben:
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Doch daß ich Schwägern demuthsvoll
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Viel Reverenze machen soll,
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Das laß ich wohl bleiben.
 
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Ein Amt, wobey die Welt mich ehrt,
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Das mich bequem und reichlich nährt,
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Darwider werd ich mich nicht sträuben:
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Doch soll ichs durch Laqueyn erflehn,
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Mich krank in Antichambern stehn?
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Das laß ich wohl bleiben.
 
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Des Lebens Glück ist mir ein Freund:
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Auch bin ich keines Menschen Feind,
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Die oft durch Thorheit uns betäuben:
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Doch daß ich aus der Narren Zahl
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Vertraute hole, sonder Wahl:
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Das laß ich wohl bleiben.
 
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Noch wallt die Freud in meiner Brust;
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Noch hab ich viel zu leben Lust,
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Wenn mich die Welt nicht will vertreiben:
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Doch daß ich winselnd Abschied nähm,
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Wenn schon so früh die Parce käm:
42 
Das laß ich wohl bleiben.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.7 KB)

Details zum Gedicht „Mein Vorsatz“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
246
Entstehungsjahr
1758
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Mein Vorsatz“ wurde von Christian Felix Weiße verfasst, einem deutschen Dichter und Schriftsteller, der im 18. Jahrhundert lebte. Das Gedicht spiegelt wahrscheinlich die gesellschaftlichen und kulturellen Überzeugungen und Normen dieser Zeit wider.

Auf den ersten Blick kann das Gedicht als eine leichte und unbeschwerte Aussage über die Gelassenheit und das Gleichgewicht im Leben interpretiert werden. Das lyrische Ich erzählt von den normalen Begierden und Versuchungen des Lebens und wie er plant, damit umzugehen.

Im Inhalt des Gedichts erklärt das lyrische Ich seine Liebe für sein Mädchen und seinen Genuss am Wein, sein Wunsch nach einem eigenen Haus, seine Bereitschaft, eine wohlhabende Frau zu heiraten, sein Streben nach einem Amt, das ihm Respekt und Ernährung bietet, seine Freundschaften und seine Lebenslust. Trotz allem, pflegt er einen gemäßigten und maßvollen Umgang damit und beschreibt Übermaß und Exzess als Versuchungen, denen er widersteht („Das laß ich wohl bleiben“).

Formal gesehen besteht das Gedicht aus sieben sechsversigen Strophen, die jeweils durch einen Reim abgeschlossen werden und die gleiche Struktur haben. Die Sprache ist direkt und einfacher Natur, was auf den Pragmatismus des lyrischen Ich zurückgeführt werden kann.

Die im Gedicht angesprochenen Lebensthemen offenbaren auch eine Art Lebensphilosophie des lyrischen Ich, das die Freuden des Lebens genießen will, ohne sich übermäßig hinzugeben oder zu weit zu gehen. Es legt einen Wert auf Mäßigung, Bescheidenheit und gesundes Urteilsvermögen und zeigt Widerstand gegen die Vorstellung, seine Prinzipien für kurzfristige Vergnügungen oder Vorteile zu opfern. Dies könnte als Kommentar zur damaligen Gesellschaft interpretiert werden und als Aufruf zur Wahrung von Integrität und Unabhängigkeit trotz verschiedener Versuchungen und gesellschaftlicher Erwartungen. Die wiederkehrende Aussage „Das laß ich wohl bleiben“ zeigt die Absicht des lyrischen Ichs, die Kontrolle über sein eigenes Leben zu behalten, indem es Standhaftigkeit und Vernunft behält.

Weitere Informationen

Christian Felix Weiße ist der Autor des Gedichtes „Mein Vorsatz“. Der Autor Christian Felix Weiße wurde 1726 in Annaberg geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1758 entstanden. Erschienen ist der Text in Leipzig. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Aufklärung zugeordnet werden. Der Schriftsteller Weiße ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 246 Worte. Der Dichter Christian Felix Weiße ist auch der Autor für Gedichte wie „An ein Veilchen“, „An einen Bach im Winter“ und „Befehl an Zephyr“. Zum Autor des Gedichtes „Mein Vorsatz“ haben wir auf abi-pur.de weitere 100 Gedichte veröffentlicht.

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