An die Muse von Christian Felix Weiße

Scherzhafte Muse, meine Freude,
Die in zufriedner Einsamkeit
Mich oft, entfernt vom Stolz und Neide,
Mehr, als ein lautes Glück erfreut:
Laß dich in Auen, Büschen, Gründen,
Wo ich dich suche, liebreich finden,
Und lächle Heiterkeit und Ruh
Den freyen Nebenstunden zu.
 
Ich will nicht Helden ewig singen,
10 
Noch mich durch sie zur Ewigkeit:
11 
Mein Lied soll nicht von Waffen klingen;
12 
Die Muse bebt vor Blut und Streit.
13 
Hier, unter Oel- und Lorberbäumen
14 
Soll sie von Fried und Freuden träumen:
15 
Den schönsten Mädchen, besten Wein
16 
Und liebsten Freunden heilig seyn.
 
17 
Die Scherze sollen sie begleiten,
18 
Von süßer Unschuld sanft regiert:
19 
Sie lasse keinen von der Seiten,
20 
Wenn ihn der Jugend Witz verführt!
21 
Ihn, solt ihr einer ja entfliehen,
22 
Soll gleich der Ernst zurücke ziehen;
23 
Er leg ihm Blumenfesseln an,
24 
Daß er nicht mehr entwischen kann.
 
25 
Wohlan! so sing in süßen Tönen
26 
Dein junges anmuthsvolles Lied!
27 
Und wird dich gleich kein Lorbeer krönen,
28 
Der für die Heldendichter blüht:
29 
Der Beyfall, den dir Freunde senden,
30 
Ein Veilchen aus Selindens Händen,
31 
Der Chloe Lächeln, wenn sie liest;
32 
Sprich, was dir wünschenswerther ist?
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „An die Muse“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
179
Entstehungsjahr
1758
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „An die Muse“ stammt von Christian Felix Weiße, einem deutschen Dichter der Aufklärung, im 18. Jahrhundert. Es ist aufgebaut aus vier Strophen, welche jeweils aus acht Versen bestehen. Auf den ersten Blick fällt die sehr bildhafte und emotional geprägte Sprache des Gedichts auf. Es scheint sich um eine Ode an eine abstrakte Weiblichkeit - die Muse - zu handeln.

Inhaltlich appelliert das lyrische Ich an die Muse als seine „scherzhafte [...] Freude“. Sie wird als seine Inspiration in den Momenten der Einsamkeit dargestellt, in denen er frei von Neid und Stolz ist. In gewisser Weise wird die Muse mit der Natur symbolisiert („Auen, Büschen, Gründen“), was darauf hindeuten könnte, dass das lyrische Ich die Unberührtheit und Reinheit der Natur als Inspirationsquelle sieht.

Das lyrische Ich setzt das Ideal der Muse über den „Heldengesang“, also über die damalige Tradition heroischer Poesie. Es fordert Frieden und Freude statt Krieg und Blutvergießen. Die Scherze, die mit den Jugendlichen gemacht werden, und die süße Unschuld der Menschen sind ihm wichtiger als der ernsthafte Ernst, der oft mit dem Heroismus einhergeht.

In der formalen und sprachlichen Hinsicht ist das Gedicht geprägt von einer klaren Struktur und einem melodischen Rhythmus, was durch die regelmäßige Stanzenzahl und die ausgewogene Verteilung der Verse erreicht wird. Die Sprache ist bildhaft und lebendig, mit leuchtenden Beschreibungen der Natur, die die Muse repräsentieren.

Insgesamt ist das Gedicht „An die Muse“ eine Impression gegen den damaligen Kriegshaften Zeitgeist und ein Plädoyer für eine friedlichere, fröhlichere und naturnähere Dichtkunst. Dies ist sehr passend für die Epoche der Aufklärung, in welcher das Individuum und seine Wünsche und Gefühle mehr und mehr im Fokus standen. Dies zeigt auch Christian Felix Weiße in seinem Gedicht auf, in dem die persönliche Inspiration und ein persönlicher Zugang zur Dichtkunst in den Vordergrund gerückt werden.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „An die Muse“ ist Christian Felix Weiße. Der Autor Christian Felix Weiße wurde 1726 in Annaberg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1758 zurück. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Aufklärung zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Weiße handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 179 Worte. Die Gedichte „Befehl an Zephyr“, „Cephalus und Aurore“ und „Chloe“ sind weitere Werke des Autors Christian Felix Weiße. Zum Autor des Gedichtes „An die Muse“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 100 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Christian Felix Weiße

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Christian Felix Weiße und seinem Gedicht „An die Muse“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Christian Felix Weiße (Infos zum Autor)

Zum Autor Christian Felix Weiße sind auf abi-pur.de 100 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.