Erholung von Frank Wedekind

Sieh, wie die Erde wackelt,
Wie alles niederstürzt,
Die Sonne ängstlich fackelt
Und ihre Flammen kürzt,
Wenn ich dich halte Brust an Brust
Und du mit scharfen Zähnen
Verbissen dich in wilder Lust
In meine glüh’nden Venen.
Es wogt dein Leib, es dröhnt dein Herz,
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Dein Odem züngelt höllenwärts,
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Und aus der Tiefe steigen
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Miasmen freud- und leidenschwer;
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Dein Kichern tanzt darüber her
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Den fahlen Elfenreigen.
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Und zuckt die Flamme übers Haus,
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Wie sinkt das All in Nacht und Graus;
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Der Himmelslichter Glanz verblich,
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Die Stürme heulen fürchterlich,
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Es schmettern die Posaunen.
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Die Jugend reißt die Ohren auf,
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Das Alter hemmt den Tageslauf;
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Sie schaudern und erstaunen.
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Der Sieger nimmt ein Bad und blickt
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Verächtlich nach dem Pfühle,
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Die Seele frei, der Leib erquickt
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Von frischer Morgenkühle.
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Die ganze Welt ist Jubelsang,
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Die Sonne lacht den Wald entlang;
29 
Dann lacht auch der Verächter
30 
Sein gellend Hohngelächter.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.8 KB)

Details zum Gedicht „Erholung“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
147
Entstehungsjahr
1905
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Erholung“ wurde von Frank Wedekind geschrieben, einem bekannten deutschen Dramatiker und Lyriker des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Es ist anzunehmen, dass das Gedicht in derselben Zeitperiode, d.h. im Übergang von der Gründerzeit zum Expressionismus, entstanden ist.

Auf den ersten Blick sind in diesem Gedicht intensive und kontrastreiche Bilder zu erkennen, die starke Emotionen und Turbulenzen darstellen. Es scheint, dass das lyrische Ich einen Zustand intensiver Leidenschaft und Aufregung durchmacht, möglicherweise unter der Wirkung einer Liebesbeziehung.

Inhaltlich beschreibt das Gedicht ziemlich dramatisch und metaphorisch die Begegnung zweier Körper – vielleicht auch Seelen – in einem stürmischen Akt der Leidenschaft, der die ganze Welt in Chaos stürzt. Das lyrische Ich erwähnt „wilde Lust“, intensives Atmen und entfesselte Gefühle. Es scheint, dass dieses Liebeserlebnis als zerstörerisch und bedrohlich wahrgenommen wird, da es Bilder von Feuer, Sturm, Nacht und Grausen hervorruft. Nach der turbulenten Begegnung folgt eine Erholungsphase, bei der das lyrische Ich eine Art Befreiung und Vitalität verspürt, symbolisiert durch das „frische Morgenkühle„-Bild.

Die intensive und hochgradig metaphorische Sprache des Gedichts lädt zu vielfältigen Deutungen ein. Im Grunde führt uns die Dichtung in einen emotionalen Orkan-Status, in welchem Ängste und Leidenschaften aufeinandertreffen. Die Welt des lyrischen Ichs scheint im Chaos der Gefühle unterzugehen und wieder aufzuerstehen.

Die Form des Gedichts ist recht unregelmäßig, es können weder Strophen noch Reime ausgemacht werden. Anstelle von klassischer Verstrophenheit zeigen sich hier längere, sich weiter entfesselnde Einzelzeilen, die die Intensität der im Gedicht beschriebenen Situation widerspiegeln. Insgesamt hat das Gedicht einen sehr rhythmischen und intensiven Fluss, der die dramatische Stimmung unterstreicht. In Bezug auf die Sprache verwendet Wedekind eine sehr bildhafte und expressive Ausdrucksform, mit starken Worten und Metaphern, die dem Gedicht Kraft und Dramatik verleihen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Erholung“ des Autors Frank Wedekind. Wedekind wurde im Jahr 1864 in Hannover geboren. Im Jahr 1905 ist das Gedicht entstanden. In München ist der Text erschienen. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Der Schriftsteller Wedekind ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 147 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 30 Versen mit nur einer Strophe. Weitere Werke des Dichters Frank Wedekind sind „An Bruno“, „An Elka“ und „An Francisca de Warens“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Erholung“ weitere 114 Gedichte vor.

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