Gebet von Georg Herwegh

Brause, Gott, mit Sturmesodem durch die fürchterliche Stille,
Gib ein Trauerspiel der Freiheit für der Sklaverei Idylle;
Laß das Herz doch wieder schlagen in der Brust der kalten Welt,
Und erweck' ihr einen Rächer, und erweck' ihr einen Held!
 
Wenn sie in der eignen Heimat frei zu leben uns nicht gönnen,
Schaff' uns eine grüne Insel, wo wir frei noch sterben können,
Sterben können froh und freudig in der frischen frohen Luft,
Und uns selbst die Rosen träufeln aus den Wunden auf die Gruft!
 
Aus dem Nachtmahlkelch der Freiheit laß uns wieder einmal schlürfen,
10 
Baue wieder einen Altar, drauf wir uns dir opfern dürfen,
11 
Breite vor uns einen Wahlplatz, einen Platz der Völkerwahl,
12 
Aus dem Kerker, aus der Scheide sehnt sich wieder unser Stahl!
 
13 
Ach, um jenes Sturms Verheißung hat der Frieden uns betrogen,
14 
Und das goldne Schiff der Hoffnung, das als Wiege in die Wogen
15 
Unter Klang und Sang gesteuert und so reiche Schätze barg,
16 
Ruht gescheitert, schwarz bewimpelt, in dem Hafen jetzt, ein Sarg.
 
17 
Will mein Volk nun ewig klagend dieses morsche Wrack umstehen?
18 
Soll in tatenlosen Seufzern seine beste Kraft verwehen?
19 
Donnert nie durch seinen Himmel der Entscheidung scharfer Ton?
20 
Wahrlich ein Despote zaudert nicht so lang am Rubikon!
 
21 
Glaubet ihr, der Frieden werd' euch für des Hauses Freude bürgen?
22 
Nur vernichten kann der Krieg uns, solch ein Frieden wird uns würgen!
23 
In dem wilden Kampfgewühle mag es wohl ihr werden heiß,
24 
Aber straucheln muß die Freiheit auf des Russen starrem Eis!
 
25 
So ihr nicht begießt die Pflanze, wird sie allgemach verkümmern,
26 
So ihr nicht gebraucht den Degen, wird ihn schnell der Rost zertrümmern:
27 
Eine Ader sich zu öffnen für die Freiheit, wäre gut,
28 
Sonsten zweifeln die Tyrannen an der Völker reinem Blut.
 
29 
Aber wollen mich die Männer nicht verstehn, die schwerverirrten,
30 
O, so höret ihr mich, Frauen! Traget ihr ein Schwert in Myrten!
31 
Traget ihr ein Schwert in Myrten; denn mich dünket, Frau und frei,
32 
Nicht so fremd einander klingen diese Worte, diese zwei!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Gebet“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
328
Entstehungsjahr
1841
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Gebet“ wurde von Georg Herwegh verfasst, einem deutschen Dichter und Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Herwegh war ein politisch aktiver Zeitgenosse, der vor allem für seine revolutionären und demokratischen Schriften bekannt war. Er galt als führender Dichter der deutschen Revolutionsbewegung im Jahr 1848 und seine Werke spiegelten oft seine politischen Überzeugungen wider.

Das vorliegende Gedicht kann in diesem Zusammenhang gesehen werden und möglicherweise im Kontext des Scheiterns der Revolution von 1848 interpretiert werden. Es handelt sich um ein langes, acht-Strophen-Gedicht, in dem Herwegh augenscheinlich Gott anfleht, einen Retter zu senden, um die Welt aus ihrer unterdrückten und verzweifelten Lage zu befreien.

Das lyrische Ich spricht von der Hoffnung auf Freiheit und dem Kampf gegen die Tyrannei. Es drückt seine Frustration und Enttäuschung über das Scheitern der revolutionären Bestrebungen aus und fordert seine Mitmenschen auf, nicht zu resignieren, sondern weiter für die Freiheit zu kämpfen. Es spricht dabei explizit auch Frauen an, was für die damalige Zeit durchaus bemerkenswert ist und auf Herweghs Forderung nach Gleichberechtigung hindeutet.

Im Hinblick auf die Form des Gedichts folgt es einer klaren, regelmäßigen Struktur mit gleich bleibender Vers- und Strophenanzahl. Die vierzeiligen Strophen bestehen jeweils aus vier Versen mit einer deutlichen, regelmäßigen Rhythmik. Die Sprache ist kraftvoll, bildreich und teils pathetisch, was die Dringlichkeit und Leidenschaft des lyrischen Ichs unterstreicht.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Herwegh in „Gebet“ eindringlich den Kampf für die Freiheit fordert und dabei seine tiefe Enttäuschung über das Scheitern der revolutionären Bewegung zum Ausdruck bringt. Dabei nutzt er die Form des Gebets, um seine Botschaft noch eindringlicher zu gestalten und spricht damit ein breites Publikum an, das sich möglicherweise ebenfalls nach Veränderung sehnt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Gebet“ ist Georg Herwegh. Geboren wurde Herwegh im Jahr 1817 in Stuttgart. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1841. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Herwegh ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 8 Strophen und umfasst dabei 328 Worte. Georg Herwegh ist auch der Autor für Gedichte wie „Die Partei“, „Die Schweiz“ und „Epilog zum Kriege“. Zum Autor des Gedichtes „Gebet“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 200 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Georg Herwegh

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Georg Herwegh und seinem Gedicht „Gebet“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Georg Herwegh (Infos zum Autor)

Zum Autor Georg Herwegh sind auf abi-pur.de 200 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.