Eine Erinnerung von Georg Herwegh

Als Polens letzte Schlacht verloren,
Da ging's hinunter an den Rhein,
Und auf den Bergen ward geschworen:
»Wir wollen freie Männer sein!«
Und tief im Tal hört man's gewittern,
Und durch die Lande fliegt ein Wort,
Daß freudig alle Herzen zittern
Ein böser Traum! und jenen Rittern
Ist hinter sieben Eisengittern
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Der Jugend Blüte schnell verdorrt.
 
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Wohl viel hat uns der Tod genommen,
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Mehr noch das Leben uns geraubt;
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Doch drum, ihr Brüder, unbeklommen,
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Noch trägt die Freiheit stolz ihr Haupt!
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Uns blieb ihr Bild - was liegt am Rahmen?
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Wen wird das schlechte Holz gereun?
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Laßt sie vergehn, die großen Namen!
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Sie werden kommen, wie sie kamen,
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Und neue Helden, neuen Samen
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In unsrer Toten Asche streun.
 
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Noch gibt's ja Prediger vom Berge,
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Für die man schon die Dornen flicht,
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Doch freilich! Dies Geschlecht der Zwerge
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Verstehet ihre Sprüche nicht;
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Die tief im Witz begraben liegen,
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Die hohen Herrn verstummen hier
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Kein Bücken gilt's mehr und kein Biegen,
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Die Freiheit ruft schon an den Wiegen:
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»In meinem Zeichen müßt ihr siegen!«
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In ihrem Zeichen siegen wir.
 
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Wie Zeus durch den Olympus schreitet
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Mit Donnern, naht der große Tag:
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Ob aller Welt wird er verbreitet,
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Daß alle Welt sich freuen mag.
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Dem Sehnen ward das Wort verliehen,
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Der Stern der Zeit fand seine Bahn;
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Dem Sturm geweihter Melodieen
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Wird auch der letzte Feind entfliehen,
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Und, der Verheißung Schwalben, ziehen
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Dem Völkerfrühling wir voran.
 
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Der Knechtschaft Baal wird zuschanden,
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Der Blinde weiß nicht, was er tut:
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Er schlägt den süßen Wein in Banden
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Und mehrt nur seines Feuers Glut.
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Seht ihn, der heut der Haft entsprungen,
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Wie wirft er seiner Perlen Schar!
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Hurra, ihr frischen, freien Zungen!
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Hurra, du Volk der Nibelungen,
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Bring' diesen alten Geist dem jungen,
50 
Dem guten Geist zum Opfer dar!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.3 KB)

Details zum Gedicht „Eine Erinnerung“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
50
Anzahl Wörter
293
Entstehungsjahr
1817 - 1875
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Eine Erinnerung“, verfasst von Georg Herwegh, scheint auf den ersten Eindruck im konkreten historischen Kontext des 19. Jahrhunderts verfasst zu sein, genauer gesagt in der Zeit der Revolutionen und Aufstände, die das ganze Jahrhundert prägten. Herwegh war ein bekannter Dichter und politischer Aktivist in der Vormärz-Zeit und maßgeblich an den Revolutionen von 1848 beteiligt, was den Inhalt des Gedichts erklären könnte.

Inhaltlich erwähnt das Gedicht den Verlust Polens, was auf die Aufteilungen des polnischen Territoriums im 18. und 19. Jahrhundert zwischen Russland, Preußen und Österreich hinweist. Darüber hinaus könnte der Hinweis auf den Rhein eine Anspielung auf die deutsche Bewegung für Freiheit und Einheit sein, die im 19. Jahrhundert in und um den Rhein verstärkt aufkam.

Das lyrische Ich im Gedicht drückt Hoffnung in der Tragödie aus und ruft zur Aufrichtung des Geistes und der Freiheit auf. Es stellt das Klischee des unbeugsamen Revolutionsstrebens dar, das trotz Rückschlägen und Misserfolgen seinen Glauben an die Sache nicht verliert. Es erinnert an den Verlust von Leben, aber auch an die Entschlossenheit und das Streben nach Freiheit.

Formal ist das Gedicht in 50 Verse aufgeteilt, die gleichmäßig auf fünf Strophen verteilt sind. Jede Strophe umfasst zehn Verse. Die Sprache des Gedichts ist recht direkte und bildliche. Es verwendet mythologische Referenzen (ein klarer Hinweis auf Herweghs klassische Bildung) und allegorische Sprache, um seine Botschaft zu vermitteln. Zudem benutzt es rhetorische Geräte wie Anaphern („Hurra, ihr frischen, freien Zungen! / Hurra, du Volk der Nibelungen,“) für eine betonte Wiederholung und Dramatik.

Herweghs Sprache und die Form seines Gedichts spiegeln seine politische Haltung und seinen Glauben an die Kraft der Freiheitsbewegung wider. Seine Worte sind ein Aufruf an alle, die von Ungleichheit und Knechtschaft betroffen sind, und eine Erinnerung daran, dass trotz aller Herausforderungen die Hoffnung auf Freiheit und Gleichheit besteht.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Eine Erinnerung“ ist Georg Herwegh. Geboren wurde Herwegh im Jahr 1817 in Stuttgart. Das Gedicht ist in der Zeit von 1833 bis 1875 entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz zu. Herwegh ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 293 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 50 Versen. Georg Herwegh ist auch der Autor für Gedichte wie „Achtzehnter März.“, „Am Grabe Ferdinand Lassalle’s.“ und „Bundeslied für den Allgemeinen deutschen Arbeiterverein.“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Eine Erinnerung“ weitere 200 Gedichte vor.

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