Philisterglück von Anna Ritter

Gestern standen sie im Blättchen
Als Verlobte. Heut, zur Stunde
Der Visiten, wird die Runde
Abgegangen durch das Städtchen. –
Freudig warten schon die Tanten. –
 
Er im Gehrock, sie in Seide,
Sittsam lächelnd alle Beide,
Mit gewinnenden Manieren,
Führen sie ihr Glück spazieren
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Zu den Freunden und Verwandten!
 
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Hinter ihnen wandelt Amor ...
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Amor – wirklich? Baß erschrocken
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Seh ich ihn: ist das der böse,
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Hübsche, kecke Liebesbengel?
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Fein und sittsam wie ein Engel
 
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Schreitet er, die goldnen Locken
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Glatt gescheitelt, voll Pomade.
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Samtne Pluderhosen decken
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Tugendhaft des Bübchens Blöße,
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Und die kleinen Füße stecken
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Bis zur rundlich festen Wade
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Ehrbar in gestrickten Socken!
23 
Schade –!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Philisterglück“

Autor
Anna Ritter
Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
23
Anzahl Wörter
106
Entstehungsjahr
1865 - 1921
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorgestellte Gedicht trägt den Titel „Philisterglück“ und stammt von der Autorin Anna Ritter. Ritter lebte von 1865 bis 1921 und gehört somit zur Epoche der literarischen Moderne.

Beim ersten Lesen des Gedichts fällt auf, dass es sich um eine gesellschaftliche Beobachtung handelt, die mit einer humorvollen und leicht ironischen Sprache dargestellt wird.

Die Handlung des Gedichtes beschreibt das glückliche Paar, das seine Verlobung bekanntgibt und diese Nachricht stolz durch die Stadt trägt. Sie besuchen Verwandte und Freunde und präsentieren sich dabei zufrieden und anständig. Interessant ist jedoch die Darstellung von Amor, dem römischen Gott der Liebe, der dem Paar folgt. Statt als temperamentvoller Liebesbote wird er hier als disziplinierter und fast langweiliger Charakter dargestellt, ein Bild, das der Erzählerin scheinbar leid tut.

In puncto Form ist zu beachten, dass das Gedicht aus vier Strophen besteht, wobei die ersten drei jeweils fünf Verse haben und die letzte acht. Das Gedicht folgt keinem strikten Reimschema, enthält aber dennoch Reime innerhalb der Strophen.

Die Sprache, die Ritter in ihrem Gedicht „Philisterglück“ verwendet, ist klar und verständlich, aber gleichzeitig fähig, lebendige Bilder hervorzurufen. Sie nutzt eine Mischung aus direkter und indirekter Rede, um eine dynamische Erzählung zu erzeugen.

Insgesamt scheint das lyrische Ich in „Philisterglück“ eine gewisse Kritik an der behäbigen und konformen Natur der Gesellschaft ihrer Zeit auszudrücken, symbolisiert durch das angemessen gekleidete und wohlverhaltene Paar und den gebändigten Liebesgott. Dabei schwingt eine Art Sehnsucht nach mehr Leidenschaft und Spontaneität mit, die jedoch durch die gesellschaftlichen Normen unterdrückt wird.

Weitere Informationen

Anna Ritter ist die Autorin des Gedichtes „Philisterglück“. Ritter wurde im Jahr 1865 in Coburg geboren. Zwischen den Jahren 1881 und 1921 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten der Autorin vorgenommen werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 106 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 23 Versen. Weitere Werke der Dichterin Anna Ritter sind „Rosenlied“, „Sturmes Weckruf“ und „Weiß nicht, was noch kommen mag“. Auf abi-pur.de liegen zur Autorin des Gedichtes „Philisterglück“ weitere 38 Gedichte vor.

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