Das erdolchte Heer von Kurt Tucholsky

Die Generale habens gesagt
und haben die Heimat angeklagt.
 
Die Heimat – heißt es – erdolchte das Heer.
Aber die Heimat litt viel zu sehr!
 
Sie schrie und ächzte unter der Faust.
Es würgt der Hunger, der Winterwind saust.
 
Ihr habt der Heimat erst alles genommen
und seid noch besiegt zurückgekommen.
 
Besiegt hat euch euer eigener Wahn.
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Dreimal kräht jetzt der biblische Hahn.
 
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Und nach so viel Fehlern und falschen Taten:
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habt ihr nun auch die Heimat verraten.
 
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Die Heimat, die Frauen, die Schwachen, die Kranken –
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Wir danken, Generale, wir danken!
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Das erdolchte Heer“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
89
Entstehungsjahr
1919
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das erdolchte Heer“ stammt von Kurt Tucholsky. Der Autor wurde am 9. Januar 1890 geboren und starb am 21. Dezember 1935. Tucholsky war Mitglied der Weimarer Republik, einer literarischen und politischen Ära in Deutschland, die von 1918 bis 1933 dauerte.

Dieses Gedicht lässt sich zeitlich in die Zeit kommendem Nationalsozialismus einordnen und geht auf die Weltkriegskonsequenzen und gesellschaftlichen Umbrüche dieser Zeit ein. Es enthält deutliche Kritik und Akzente der politischen Satire, die für Tucholskys Werk charakteristisch sind.

Auf den ersten Eindruck erscheint das Gedicht als eine Anklage gegen die Generale, die den Krieg geführt und eine schwere Last auf der Heimat hinterlassen haben. Die Nachrichten sind bitter und ironisch, mit einem erkennbaren Unterton von Zorn und Enttäuschung.

In einfachen Worten besagt das Gedicht, dass die „Heimat“ (eine Metapher für das deutsche Volk) die Kosten des Krieges trägt und dafür leidet. Die Generale werden beschuldigt, alles von der Heimat genommen und sie in einem Zustand der Not und des Elends zurückgelassen zu haben. Zudem wirft das lyrische Ich den Generalen vor, durch ihren Wahn und ihre falschen Taten selbst zur Niederlage beigetragen zu haben.

Die Form des Gedichts ist gekennzeichnet durch zwei-zeilige Strophen, was eine einfache, klare Struktur schafft und den Rhythmus des Gedichts bestimmt. Die Sprache ist direkter Natur.

Die Sprache ist einfach und klar, was dazu beiträgt, die Botschaft der politischen und sozialen Kritik zu verstärken. Die bildlichen Ausdrücke („der Hunger würgt, der Winterwind saust„; „dreimal kräht jetzt der biblische Hahn“) und die Ironie („Wir danken, Generale, wir danken!“) geben dem Gedicht eine scharfe, beißende Qualität und betonen die sarkastischen und anklagenden Töne.

Die Verwendung des biblischen Bildes des krähenden Hahns könnte auch auf Verrat (wie bei der Geschichte von Petrus, der Jesus thrimal verleugnete) und eine kommende Katastrophe hinweisen, was den Tenor der Kritik und Warnung des Gedichts unterstreicht.

Zusammengefasst kann das Gedicht als eine starke, ironische Kritik an den Verantwortlichen für den Krieg und ihre Behandlung des heimatlichen Volkes interpretiert werden, die auf die politischen und gesellschaftlichen Umstände seiner Zeit reagiert.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Das erdolchte Heer“ ist Kurt Tucholsky. Im Jahr 1890 wurde Tucholsky in Berlin geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1919 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Tucholsky handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Wichtigen geschichtlichen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik hatten der Erste Weltkrieg und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Weimarer Republik. Bei der Neuen Sachlichkeit war der Inhalt der Texte wichtiger als die Form. Die Schreiber dieser Bewegung wollten mit ihren Texten möglichst viele Menschen aus allen sozialen Schichten ansprechen. Aus diesem Grund wurden die Texte in einer alltäglichen Sprache verfasst und wurden oft im Stile einer dokumentarisch-exakten Reportage geschrieben. Viele Schriftsteller litten unter der Zensur in der Weimarer Republik. Im Jahr 1922 wurde nach einem Attentat auf den Reichsaußenminister das Republikschutzgesetz erlassen, das die zunächst verfassungsmäßig garantierte Freiheit von Wort und Schrift in der Weimarer Republik deutlich einschränkte. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die zum Beispiel in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz setze den Schriftstellern dieser Zeit noch mal verstärkt Grenzen. 1931 trat die Pressenotverordnung in Kraft, dadurch waren die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate hinweg möglich geworden.

Zur Zeit des Nationalsozialismus mussten viele Autoren ins Ausland fliehen. Dort entstand die sogenannte Exilliteratur. Ausgangspunkt der Exilbewegung ist der Tag der Bücherverbrennung im Mai 1933 im nationalsozialistischen Deutschland. Alle nicht-arischen Werke wurden verboten und symbolträchtig verbrannt. In Folge dessen flohen zahlreiche Schriftsteller aus Deutschland ins Ausland. Die Exilliteratur der Literaturgeschichte Deutschlands bildet eine eigene Literaturepoche und folgt auf die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik. Die Themen der deutschen Exilliteratur lassen sich zunächst in zwei Gruppen einteilen. Einige Autoren fühlten sich in ihrer neuen Heimat nicht zu Hause, hatten Heimweh und wollten einfach in ihr altes Leben vor dem Nationalsozialismus zurückkehren. Oftmals konnten sie im Ausland nicht mehr ihrer Arbeit als Schriftsteller nachgehen, da sie nur in Deutsch schreiben konnten, was im Ausland niemand verstand. Heimweh und ihre Liebe zum Mutterland sind die thematischen Schwerpunkte in ihren Werken. Andere Schriftsteller wollten sich gegen Nazideutschland wehren. Man wollte einerseits die Welt über die Grausamkeiten in Deutschland aufklären. Andererseits aber auch den Widerstand unterstützen. Spezielle formale Merkmale weist die Exilliteratur nicht auf. Die Exilliteratur weist häufig einen Pluralismus der Stile (Expressionismus, Realismus), eine kritische Betrachtung der Wirklichkeit und eine Distanz zwischen Werk und Leser oder Publikum auf. Sie hat häufig die Absicht zur Aufklärung und möchte Gesellschaftsentwicklungen aufzeigen (wandelnder Mensch, Abhängigkeit von der Gesellschaft).

Das Gedicht besteht aus 14 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 89 Worte. Weitere Werke des Dichters Kurt Tucholsky sind „’s ist Krieg!“, „Abschied von der Junggesellenzeit“ und „Achtundvierzig“. Zum Autor des Gedichtes „Das erdolchte Heer“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 136 Gedichte vor.

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