An einen garnisondienstfähigen Dichter von Kurt Tucholsky

Du schlägst die kriegerisch-verstimme Leier,
du singst von Haß und Blut und Pulverrauch –
und heißt vielleicht nur Gottlob Emil Meier,
sanft wölbt sich dir der Zwei-Terrassen-Bauch …
Du singst vom Sturmangriff, von roten Hosen,
von England-Haß, von Not und Schlachtengraus,
vom Panjefeind und von den Erzfranzosen –
Komm raus!
 
Komm einmal raus! Besieh dir das persönlich –
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gewiß: es ist nicht immer ideal,
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mitunter gehts im Kriege ganz gewöhnlich
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und schmutzig zu – besiehs dir nur einmal.
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Nein! das genügt noch nicht: du mußt es auch erleben,
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zieh an die schlichte Farbe unsres Graus.
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Mach mit! Wir woll’n dir fünf Mark dreißig geben –
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Komm raus!
 
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Vielleicht wirst du dann endlich, endlich lernen:
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Wer seine Pflicht tut, kämpft und steht und schweigt.
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Steigt auch der Ruhm der Kameraden zu den Sternen –
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sieh nur, wie lautlos und wie still das steigt!
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Doch ziehn wir später einmal (Gott mag wissen,
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wann das geschieht), zurück, sind Leid und Wirrsal aus:
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dann, Meier, wollen wir dich gerne missen!
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Dann bleib zu Haus!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.1 KB)

Details zum Gedicht „An einen garnisondienstfähigen Dichter“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
164
Entstehungsjahr
1919
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An einen garnisondienstfähigen Dichter“ stammt von Kurt Tucholsky, der von 1890 bis 1935 lebte. Tucholsky war ein bekannter deutscher Journalist und Schriftsteller der Weimarer Republik, der für seine scharfe Gesellschaftskritik bekannt war. Daher ist es nicht überraschend, dass sein erster Eindruck ist, dass dieses Gedicht eine tiefe Kritik und Verachtung gegenüber Kriegsverherrlichung und jenen, die sie betreiben, zum Ausdruck bringt.

In diesem Gedicht spricht das lyrische Ich eindringlich zu einem nicht namentlich genannten Dichter, der offenbar den Krieg und das Militär verherrlicht. Tucholskys Gedicht ist klar in seiner Botschaft: Es ist eine klare Herausforderung an alle, die den Krieg verklären und verherrlichen, sich selbst dem Krieg auszusetzen, um die brutalen Realitäten des Krieges zu verstehen. Der Dichter soll aus seinem sicheren Platz herauskommen und die harte Wahrheit des Krieges sehen und erleben, den er scheinbar so gerne in seinen Versen verherrlicht. Dabei spottet das lyrische Ich offen über die Kriegsbegeisterung des Dichters und stellt seine Glaubwürdigkeit in Frage, indem es auf seine körperliche Unfähigkeit hinweist, tatsächlich am Krieg teilzunehmen.

Das Gedicht ist in drei Strophen unterteilt, jede mit acht Versen. Es folgt kein striktes Reimschema, aber es hat einen auffälligen Rhythmus, der hilft, die ironischen und spöttischen Töne des Gedichts zu verstärken. Die Sprache ist direkt und unprätentiös, mit einer klaren und eindeutigen Botschaft, die darauf abzielt, den kriegsverherrlichenden Dichter bloßzustellen. Es ist reich an bildhafter Sprache und benutzt sarkastische Bilder und Spott, um seine Kritik auszudrücken.

Die letzte Strophe deutet darauf hin, dass das lyrische Ich - wahrscheinlich stellvertretend für die wirklichen Soldaten im Krieg - hofft, dass der kriegsverherrlichende Dichter eines Tages die wahre Natur des Krieges erkennen wird. Doch das Gedicht endet mit der Aufforderung an den Dichter, zu Hause zu bleiben, sobald der Krieg vorbei ist. Dies deutet darauf hin, dass Tucholsky glaubt, dass jene, die den Krieg verherrlichen, am Ende keine Rolle in einer friedlichen Gesellschaft spielen sollten.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „An einen garnisondienstfähigen Dichter“ ist Kurt Tucholsky. Im Jahr 1890 wurde Tucholsky in Berlin geboren. Im Jahr 1919 ist das Gedicht entstanden. Charlottenburg ist der Erscheinungsort des Textes. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Tucholsky ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Erste Weltkrieg und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Weimarer Republik hatten großen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik. Das wohl bedeutendste Merkmal der Literatur in der Weimarer Republik ist die Neue Sachlichkeit, die so heißt, da sie schlicht, klar, sachlich und hoch politisch ist. Die Literatur dieser Zeit war nüchtern und realistisch. Ebenso stellt sie die moderne Gesellschaft kühl distanziert, beobachtend, dokumentarisch und exakt dar. Die Schriftsteller der Literaturepoche wollten so viele Menschen wie möglich mit ihren Texten erreichen, deshalb wurde eine einfache und nüchterne Alltagssprache verwendet. Die Freiheit von Wort und Schrift war zwar verfassungsmäßig garantiert, doch bereits 1922 wurde nach der Ermordung von Walter Rathenau das Republikschutzgesetz erlassen, das diese Freiheit wieder einschränkte. Viele Schriftsteller litten unter dieser Zensur. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die zum Beispiel in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz setze den Schriftstellern dieser Zeit noch mal verstärkt Grenzen. 1931 trat die Pressenotverordnung in Kraft, dadurch waren die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate hinweg möglich geworden.

Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Autoren, die ins Exil gehen, also ihre Heimat verlassen mussten. Dies geschah insbesondere zu Zeiten des Nationalsozialismus. Die Exilliteratur geht aus diesem Umstand hervor. Der Ausgangspunkt der Exilbewegung Deutschlands war der Tag der Bücherverbrennung am 30. Mai 1933. Die deutsche Exilliteratur schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an und bildet damit eine eigene Literaturepoche in der deutschen Literaturgeschichte. Themen wie Verlust der eigenen Kultur, existenzielle Probleme, Sehnsucht nach der Heimat oder Widerstand gegen den Nationalsozialismus sind typisch für diese Literaturepoche. Bestimmte formale Gestaltungsmittel wie zum Beispiel Metrum, Reimschema oder der Gebrauch bestimmter rhetorischer Mittel lassen sich in der Exilliteratur nicht finden. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Epoche geboren wurden. Das epische Theater von Bertolt Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Radioreden oder Flugblätter der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten zu erwähnen. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.

Das vorliegende Gedicht umfasst 164 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Kurt Tucholsky ist auch der Autor für Gedichte wie „’s ist Krieg!“, „Abschied von der Junggesellenzeit“ und „Achtundvierzig“. Zum Autor des Gedichtes „An einen garnisondienstfähigen Dichter“ haben wir auf abi-pur.de weitere 136 Gedichte veröffentlicht.

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