Das Kolosseum von Edgar Allan Poe
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Urbild des alten Roms! Reliquienschrein |
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Erhabener Betrachtung! Nach so langer, |
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Mühsel’ger Pilgerschaft und heißem Durst, |
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(Durst nach dem Quell des Einst, der in dir fließt) |
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Knie’ ich ein andrer, demuthsvoller Mann |
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In deinem Schatten und in vollen Zügen |
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Trink’ ich vom Borne deiner Größe, deiner Weihe. |
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Unendlichkeit, ich höre deinen Strom! |
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Ich fühl’ euch, dunkle Mächte der Zerstörung, |
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Nacht, Schweigen, Endlichkeit, ich fühl euch jetzt! |
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O Zauber, sichrer als Judäa’s Kön’ge |
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Ihn jemals in Gethsemane gelehrt, |
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Gewaltiger als die Chaldäer ihn |
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Vom Sternenhimmel in Verzückung lasen. |
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Hier, wo ein Held fiel, fällt jetzt eine Säule, |
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Dort, wo der Adler einst in Gold gestrotzt, |
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Hält eine Fledermaus Vigilien, |
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Wo ihr vergoldet Haar die Damen Roms |
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Im Winde flattern ließen, wogen nun |
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Riedgras und Disteln, und wo der Monarch |
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Auf goldnem Thron wollüstig träge saß – |
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Da schlüpfen nun, vom Monde schwach beleuchtet, |
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Eidechsen hurtig in ihr Marmorheim. |
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O Mauern, moosbewachsene Arkaden, |
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Geschwärzte Schafte, schwankendes Gebälk, |
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Zerbröckelnde Ruinen, Steine, Steine, |
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Graue Steine, seid ihr alles, alles, |
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Was dem Geschick und mir vom Kolossalen |
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Der Stunden rastloses Zerstören ließ? |
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Nicht alles! giebt das Echo mir zurück. |
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Prophetenstimmen dringen zu dem Weisen |
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Aus uns und allen Trümmern, wie zur Sonne |
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Vom Memnonsteine Melodieen klingen. |
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Vor unsrer Größe beugen sich in Ehrfurcht |
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Die Mächtigsten der Erde – wir beherrschen |
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Die Riesengeister aller Nationen. |
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Wir sind nicht machtlos, wir verblichnen Steine, |
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Nicht aller Ruhm vergangner Tage schwand, |
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Nicht aller Zauber unsres hohen Rufs, |
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Nicht alle Wunderkraft, die in uns wohnt, |
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Nicht die Mysterien, die in uns liegen, |
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Nicht die Erinnerung, die an uns hängt, |
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Sich an uns schmiegt wie ein Gewand, uns kleidend |
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In einen Schmuck, der köstlicher als Ruhm. |
Details zum Gedicht „Das Kolosseum“
Edgar Allan Poe
5
44
275
nach 1825
Klassik,
Romantik,
Biedermeier
Gedicht-Analyse
Dieses Gedicht wurde von Edgar Allan Poe geschrieben, einem amerikanischen Autor, der zwischen dem 19. Januar 1809 und dem 7. Oktober 1849 lebte. Poe ist besonders bekannt für seine mysteriösen und makabren Werke, von denen einige zu den bekanntesten in der Literaturgeschichte geworden sind.
Der erste Eindruck, den das Gedicht vermittelt, ist einer der Ehrfurcht und Bewunderung für die altertümliche Architektur und Geschichte, die im Kolosseum von Rom vereint sind. Das Gedicht spielt auch auf das endlose Rad der Zeit an, das sowohl den Aufstieg als auch den Fall großer Imperien und Kulturen mit sich bringt.
Das Gedicht behandelt das Kolosseum als symbolisches Urbild des alten Roms und als Denkmal erhabener Betrachtungen. Das lyrische Ich beschreibt seine Pilgerreise zum Kolosseum und seine Verehrung für das Erbe, das es repräsentiert. Durch die Verkörperung der Zerstörung und Endlichkeit betont das lyrische Ich den Wandel der Zeit und die Zerbrechlichkeit menschlicher Konstruktionen und Bestrebungen. Es wird eine Kontrastierung zwischen der vergangenen Herrlichkeit Roms und seinem gegenwärtigen Zustand der Verfall und Vergessenheit dargestellt.
Einer der zentralen Punkte des Gedichts ist die Konzeption der Vergänglichkeit und wie nichts, nicht einmal die größten Zeugnisse menschlicher Errungenschaften, dem unaufhaltsamen Lauf der Zeit entgehen kann. Trotz dieser grauen und düsteren Darstellung betont Poe jedoch auch die anhaltende Bedeutung des Kolosseums. Trotz seines physisch zerbrochenen Zustandes lebt das Kolosseum in seiner Symbolik und seiner Fähigkeit, Geschichten und Erinnerungen zu bewahren, fort.
Formal betrachtet ist das Gedicht in freie Verse eingeteilt, ohne einen festen Reim- oder Metrumschema. Der Stil des Gedichts ist in seiner Sprache sowohl leidenschaftlich als auch bildhaft, wo Poe eine Reihe von mächtigen bildlichen Darstellungen einsetzt, um das Bild von Vergänglichkeit und Zerfall zu betonen. Ein Beispiel ist die „Fledermaus, die Vigilien hält“, die das Bild des ursprünglichen Glanzes kontrastiert.
Zusammengefasst gibt dieses Gedicht einen tieferen Einblick in die Zerbrechlichkeit des menschlichen Strebens und die unausweichliche Vergänglichkeit. Trotz der vergangenen Größe blickt Poe über die Trümmer hinaus und sieht das Kolosseum als ein lebendiges Echo einer glorreichen Vergangenheit und als ein unsterbliches Symbol des menschlichen Fortschritts und Strebens.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Das Kolosseum“ ist Edgar Allan Poe. Poe wurde im Jahr 1809 in Boston, USA geboren. Zwischen den Jahren 1825 und 1849 ist das Gedicht entstanden. In Berlin ist der Text erschienen. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zuordnen. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 275 Worte. Edgar Allan Poe ist auch der Autor für Gedichte wie „Das verwunschene Schloß“, „Der Eroberer Wurm“ und „Der Rabe“. Zum Autor des Gedichtes „Das Kolosseum“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 17 Gedichte vor.
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