Danach von Kurt Tucholsky

Es wird nach einem Happy-end
im Film jewöhnlich abjeblendt.
Man sieht bloß noch in ihre Lippen
den Helden seinen Schnurrbart stippen –
da hat sie nu den Schentelmen …
Na, un denn –?
 
Denn jehn die Beeden brav ins Bett.
Na ja … diss is ja auch janz nett.
A manchmal möcht man doch jern wissen:
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Wat tun se, wenn se sich nich kissen?
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Die könn ja doch nich imma penn …!
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Na, un denn?
 
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Denn säuselt im Kamin der Wind.
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Denn kricht det junge Paar n Kind.
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Denn kocht sie Milch. Die Milch looft üba.
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Denn macht er Krach. Denn weent sie drüba.
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Denn wolln sich Beede jänzlich trenn …
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Na, un denn?
 
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Denn is det Kind nich uffn Damm.
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Denn bleihm die Beeden doch zesamm.
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Denn quäln se sich noch manche Jahre.
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Er will noch wat mit blonde Haare:
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vorn dof und hinten minorenn …
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Na, un denn?
 
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Denn sind se alt. Der Sohn haut ab.
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Der Olle macht nu ooch bald schlapp.
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Vajessen Kuß und Schnurrbartzeit –
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Ach, Menschenskind, wie liecht det weit!
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Wie der noch scharf uff Muttern war,
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det is schon beinah nich mehr wahr!
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Der olle Mann denkt so zurück:
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Wat hat er nu von seinen Jlück?
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Die Ehe war zum jrößten Teile
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vabrühte Milch un Langeweile.
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Un darum wird beim Happy-end
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im Film jewöhnlich abjeblendt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.2 KB)

Details zum Gedicht „Danach“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
214
Entstehungsjahr
1930
Epoche
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Danach“ wurde von Kurt Tucholsky verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Gesellschaftskritiker, der in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts tätig war.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht humorvoll und ironisch. Es kritisiert die realitätsfernen und simplifizierten Darstellungen romantischer Beziehungen in Filmen, die oft mit einem „Happy End“ enden und dabei viele Aspekte des tatsächlichen Lebens auslassen.

Im Inhalt des Gedichts erzählt das lyrische Ich eine Geschichte, die nach dem klassischen „Happy End“ weitergeht: Von einem Paar, das sich nach der anfänglichen Romantik mit den Herausforderungen des gemeinsamen Lebens, wie dem Elternsein und dem Älterwerden, auseinandersetzen muss. Das lyrische Ich hinterfragt die Oberflächlichkeit von Filmendungen und stellt sie kontrastreich dem harten und komplizierten echten Leben gegenüber.

Formal besteht das Gedicht aus fünf Strophen mit je sechs bzw. zwölf Versen. Die Sprache ist umgangssprachlich und enthält Dialektelemente, was den Gedichten eine volksnahe und humorvolle Note verleiht. Tucholskys Wortwahl ist einfach und direkt, was den Kontrast zur romantisierten Darstellung in Filmen unterstreicht.

Die vielen Fragen und der wiederkehrende Refrain „Na, un denn?“ drücken eine kritische Haltung gegenüber der im Film dargestellten romantisierten Realität aus. Durch die realistische Darstellung des Alltagslebens verschafft Tucholsky dem Leser einen Einblick in die oft vernachlässigten Schwierigkeiten des Lebens nach dem „Happy End“.

Zusammengefasst zeigt Tucholsky in diesem Gedicht die Kluft zwischen der romantisierten Filmdarstellung von Beziehungen und der Realität auf, indem er den Alltag eines Paares nach dem Happy End auf humorvolle und zugleich kritische Weise beleuchtet.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Danach“ ist Kurt Tucholsky. Der Autor Kurt Tucholsky wurde 1890 in Berlin geboren. 1930 ist das Gedicht entstanden. In Berlin ist der Text erschienen. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zuordnen. Bei Tucholsky handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Wichtigen geschichtlichen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik hatten der Erste Weltkrieg und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Weimarer Republik. Neue Sachlichkeit ist eine Richtung der Literatur der Weimarer Republik. In den ihr zugerechneten Werken ist die zwischen den Weltkriegen hervortretende Tendenz zu illusionslos-nüchterner Darstellung von Gesellschaft, Erotik, Technik und Weltwirtschaftskrise deutlich erkennbar. Dies kann man als Reaktion auf den literarischen Expressionismus werten. Die Dichter orientierten sich an der Realität. Die Handlung wurde meist nur kühl und distanziert beobachtet. Man schrieb ein Minimum an Sprache, dafür hatte diese ein Maximum an Bedeutung. Es sollten so viele Menschen wie möglich mit den Texten erreicht werden, deshalb wurde eine einfache sowie nüchterne Alltagssprache verwendet. Viele Schriftsteller litten unter der Zensur in der Weimarer Republik. Im Jahr 1922 wurde nach einem Attentat auf den Reichsaußenminister das Republikschutzgesetz erlassen, das die zunächst verfassungsmäßig garantierte Freiheit von Wort und Schrift in der Weimarer Republik deutlich einschränkte. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die teils in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das im Jahr 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz verstärkte die Grenzen der Zensur nochmals. Später als die Pressenotverordnung im Jahr 1931 in Kraft trat, war sogar die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate möglich.

Zur Zeit des Nationalsozialismus mussten viele Schriftsteller ins Ausland fliehen. Dort entstand die sogenannte Exilliteratur. Ausgangspunkt der Exilbewegung ist der Tag der Bücherverbrennung im Mai 1933 im nationalsozialistischen Deutschland. Alle nicht-arischen Werke wurden verboten und symbolträchtig verbrannt. In Folge dessen flohen viele Schriftsteller aus Deutschland. Die deutsche Exilliteratur schließt an die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik an und bildet damit eine eigene Literaturepoche in der deutschen Literaturgeschichte. Die Themen der deutschen Exilliteratur lassen sich zunächst in zwei Gruppen einteilen. Einige Schriftsteller fühlten sich in ihrer neuen Heimat nicht zu Hause, hatten Heimweh und wollten einfach in ihr altes Leben vor dem Nationalsozialismus zurückkehren. Oftmals konnten sie im Ausland nicht mehr ihrer Arbeit als Schriftsteller nachgehen, da sie nur in deutscher Sprache schreiben konnten, was im Ausland aber niemand verstand. Heimweh und ihre Liebe zum Mutterland sind die thematischen Schwerpunkte in ihren Werken. Andere Schriftsteller wollten sich gegen Nazideutschland wehren. Man wollte einerseits die Welt über die Grausamkeiten in Deutschland aufklären. Andererseits aber auch den Widerstand unterstützen. Bestimmte formale Merkmale lassen sich jedoch nicht finden. Allerdings gab es einige neue Gattungen, die in dieser Literaturepoche geboren wurden. Das epische Theater von Bertolt Brecht oder auch die historischen Romane waren neue literarische Textsorten. Aber auch Radioreden oder Flugblätter der Widerstandsbewegung sind hierbei als neue Textsorten erwähnenswert. Oftmals wurden die Texte auch getarnt, so dass sie trotz Zensur nach Deutschland gebracht werden konnten. Dies waren dann die sogenannten Tarnschriften.

Das vorliegende Gedicht umfasst 214 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 36 Versen. Weitere Werke des Dichters Kurt Tucholsky sind „’s ist Krieg!“, „Abschied von der Junggesellenzeit“ und „Achtundvierzig“. Zum Autor des Gedichtes „Danach“ haben wir auf abi-pur.de weitere 136 Gedichte veröffentlicht.

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