Wahl von Joseph von Eichendorff

Der Tanz, der ist zerstoben,
Die Musik ist verhallt,
Nun kreisen Sterne droben,
Zum Reigen singt der Wald.
 
Sind alle fortgezogen,
Wie ist's nun leer und tot!
Du rufst vom Fensterbogen:
»Wann kommt das Morgenrot!«
 
Mein Herz möcht mir zerspringen,
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Darum so wein ich nicht,
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Darum so muß ich singen,
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Bis daß der Tag anbricht.
 
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Eh es beginnt zu tagen:
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Der Strom geht still und breit,
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Die Nachtigallen schlagen,
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Mein Herz wird mir so weit!
 
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Du trägst so rote Rosen,
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Du schaust so freudenreich,
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Du kannst so fröhlich kosen,
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Was stehst du still und bleich?
 
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Und laß sie gehn und treiben
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Und wieder nüchtern sein,
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Ich will wohl bei dir bleiben!
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Ich will dein Liebster sein!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.9 KB)

Details zum Gedicht „Wahl“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
116
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Wahl“ stammt von Joseph von Eichendorff, einem der bedeutendsten Lyriker der deutschen Romantik. Er lebte von 1788 bis 1857, daher kann das Gedicht zeitlich in das 19. Jahrhundert eingeordnet werden.

Beim ersten Lesen erzeugt das Gedicht einen eher melancholischen, aber auch hoffnungsvollen Eindruck. Es thematisiert Trennung, Sehnsucht, Liebe und die Hoffnung auf ein Wiedersehen.

Das lyrische Ich schildert anfangs das Ende eines Festes, symbolisiert durch den zerstobenen Tanz und die verhallte Musik. Die Stimmung ist traurig und leer, doch der Blick wird auf die Sterne und den Wald gerichtet, das heißt auf das Unveränderliche und auf die Natur. In der zweiten Strophe wird die Stimmung der Leere und Stille fortgeführt, gepaart mit der Sehnsucht nach dem Morgenrot, also nach dem neuen Tag und der damit verbundenen Hoffnung auf ein Ende der Einsamkeit.

In der dritten Strophe wird diese Hoffnung greifbarer. Trotz innerer Erschütterung drückt das lyrische Ich seinen Schmerz nicht durch Tränen, sondern durch Gesang aus, vielleicht als Akt der Befreiung und der Sehnsucht nach Veränderung. In der vierten Strophe wird die Szene beschrieben, kurz bevor der Tag beginnt: Stille, weitläufige Landschaft, der Gesang der Nachtigallen – das Herz des lyrischen Ichs öffnet sich.

In der fünften Strophe wendet sich das lyrische Ich jemandem zu, der fröhlich und lebendig erscheint, aber letztlich still und blass bleibt. Vielleicht ist dies die geliebte Person, die das lyrische Ich aus der Ferne betrachtet und deren dezente Anwesenheit ihm Hoffnung gibt. Das Gedicht endet mit dem bittersüßen Geständnis der Hoffnung, bei dieser Person bleiben und ihr Liebster sein zu wollen.

In seiner Form besteht das Gedicht aus sechs gleichmäßigen Strophen mit je vier Versen. Die Sprache ist einfach und klar, aber gleichzeitig gefühlvoll und lyrisch. Der Autor verwendet einfache Metaphern und Beschreibungen, aber durch die subtile Wahl von Wörtern und Bildern gelingt es ihm, eine komplexe emotionale Landschaft zu kreieren. Auch wenn das Gedicht melancholisch beginnt, gibt es doch einen Hoffnungsschimmer, der durch das lyrische Ich zum Ausdruck gebracht wird.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Wahl“ des Autors Joseph von Eichendorff. Der Autor Joseph von Eichendorff wurde 1788 geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1804 und 1857. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Bei Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik war eine Epoche der europäischen Literatur, Kunst und Kultur. Sie begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts und dauerte in der Literatur bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Die Zeit der Romantik war für die Menschen in Europa von Umbrüchen geprägt. Die Französische Revolution (beginnend im Jahr 1789) zog weitreichende Folgen für ganz Europa nach sich. Auch der Fortschritt in Technik und Wissenschaft, der den Beginn des industriellen Zeitalters einläutete, verunsicherte die Menschen und prägte die Gesellschaft. In der Romantik finden sich unterschiedliche charakteristische Motivkreise. Sehnsucht und Liebe (Blaue Blume) oder das Unheimliche (Spiegelmotiv) sind bedeutende Motive. Aber auch politische Motive wie Weltflucht, Nationalismus und Gesellschaftskritik lassen sich aufzeigen. Das Mittelalter gilt bei den Romantikern als Ideal und wird verherrlicht. Übel und Missstände des Mittelalters bleiben unbeachtet. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und Klarheit der Gedanken, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unbegrenzt. Zwar baut sie dabei auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.

Das vorliegende Gedicht umfasst 116 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Der Dichter Joseph von Eichendorff ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Isegrimm“, „Der verliebte Reisende“ und „Die Heimat“. Zum Autor des Gedichtes „Wahl“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 395 Gedichte vor.

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