Der letzte Gruß von Joseph von Eichendorff

Ich kam vom Walde hernieder,
Da stand noch das alte Haus,
Mein Liebchen, sie schaute wieder
Wie sonst zum Fenster hinaus.
 
Sie hat einen andern genommen,
Ich war draußen in Schlacht und Sieg,
Nun ist alles anders gekommen,
Ich wollt, 's wär wieder erst Krieg.
 
Am Wege dort spielte ihr Kindlein,
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Das glich ihr recht auf ein Haar,
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Ich küßt's auf sein rotes Mündlein:
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»Gott segne dich immerdar!«
 
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Sie aber schaute erschrocken
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Noch lange Zeit nach mir hin,
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Und schüttelte sinnend die Locken
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Und wußte nicht, wer ich bin.
 
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Da droben hoch stand ich am Baume,
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Da rauschten die Wälder so sacht,
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Mein Waldhorn, das klang wie im Traume
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Hinüber die ganze Nacht.
 
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Und als die Vögelein sangen
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Frühmorgens, sie weinte so sehr,
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Ich aber war weit schon gegangen,
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Nun sieht sie mich nimmermehr!
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Der letzte Gruß“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
134
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der letzte Gruß“ wurde von Joseph von Eichendorff verfasst, einem der bedeutendsten Lyriker der deutschen Romantik, der von 1788 bis 1857 lebte.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht traurig und wehmütig. Es erzählt die Geschichte eines Mannes, der nach langer Abwesenheit an seinen Heimatort zurückkehrt und feststellt, dass seine einstige Geliebte einen anderen Mann geheiratet und ein Kind mit ihm hat. Er ist betroffen und voller Bedauern, wäre sogar froh, wenn der Krieg, der ihn fortgezogen hat, wieder ausbrechen würde, nur um nicht mit dieser schmerzhaften Realität konfrontiert zu sein.

In seiner Sanftmut und in seiner Hilflosigkeit gegenüber der veränderten Situation küsst er das Kind seiner ehemaligen Geliebten und segnet es, obwohl ihm bewusst ist, dass seine einstige Liebe nicht einmal mehr weiß, wer er ist. Schließlich entfernt er sich wieder, spielt auf seinem Waldhorn ins Dunkel der Nacht hinein, während seine Geliebte in großer Traurigkeit und Kummer zurückbleibt.

In Form von sechs gleich gebauten vierzeiligen Strophen wird die Handlung in „Der letzte Gruß“ mit eingängiger, jedoch einfacher Sprache dargestellt. Jede Strophe erzählt einen anderen Abschnitt der Geschichte und der Autor gelingt es dabei, durch seine wortgewaltige und bildreiche Sprache, starke Gefühle zu vermitteln. Die Kombination von einfachen Reimen und dem Wechsel zwischen trochäischen und jambischen Versen ergibt dabei ein rhythmisches und harmonisches Klangbild.

Die Sprache des Gedichts ist geprägt von einer bildhaften und einfühlsamen Bildsprache, die dazu beiträgt, die Emotionen des Protagonisten deutlich zum Ausdruck zu bringen. Das Leid des lyrischen Ichs, seine Resignation und Wehmut, aber auch seine innere Stärke und Tapferkeit werden auf diese Weise eindringlich und nachvollziehbar dargestellt. Der Autor macht zudem gekonnt Gebrauch von Symbolen, wie das alte Haus, das Waldhorn und die Vögelein, um die melancholische und wehmütige Stimmung des Gedichts zu unterstreichen.

Zusammenfassend ist „Der letzte Gruß“ ein typisches Beispiel für die Lyrik der deutschen Romantik. Es verbindet Gefühl und Natur auf eine Art und Weise, die zu einem eindringlichen und bewegenden lyrischen Werk führt. Inhalt, Form und Sprache ergänzen sich in diesem Gedicht auf harmonische Weise, um eine Geschichte von Abschied, Sehnsucht und unerfüllter Liebe zu erzählen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der letzte Gruß“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joseph von Eichendorff. Im Jahr 1788 wurde Eichendorff geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1804 bis 1857 entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Romantik zu. Bei dem Schriftsteller Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine Epoche der Kulturgeschichte, zeitlich anzusiedeln vom späten 18. Jahrhundert bis tief in das 19. Jahrhundert hinein. Auf die Literatur bezogen: von 1795 bis 1848. Sie hatte Auswirkungen auf Literatur, Musik, Philosophie und Kunst jener Zeit. Bis in das Jahr 1804 hinein spricht man in der Literatur von der Frühromantik, bis 1815 von der Hochromantik und bis 1848 von der Spätromantik. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Lyriker der Romantik in Auflösung begriffen. In der Literatur der Romantik gilt das Mittelalter als das Ideal und wird verherrlicht. Die Kunst und Architektur der Zeit des Mittelalters werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Übel und Missstände dieser Zeit bleiben außen vor und scheinen bei den Schriftstellern in Vergessenheit geraten zu sein. So ist gerade die Verklärung des Mittelalters ein zentrales Merkmal der Romantik. Des Weiteren sind die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur und die romantische Ironie weitere zentrale Merkmale dieser Epoche. Die Grundthemen der Epoche waren Seele, Gefühle, Individualität und Leidenschaft. In der Literatur wurden diese Themen unter anderem durch Motive der Sehnsucht, Todessehnsucht, Fernweh oder Einsamkeit in der Fremde manifestiert. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und gedanklicher Klarheit, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unbegrenzt. Zwar baut sie dabei auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.

Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 134 Worte. Der Dichter Joseph von Eichendorff ist auch der Autor für Gedichte wie „Die Heimat“, „In Danzig“ und „Kurze Fahrt“. Zum Autor des Gedichtes „Der letzte Gruß“ haben wir auf abi-pur.de weitere 395 Gedichte veröffentlicht.

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