Leid und Lust von Joseph von Eichendorff

Euch Wolken beneid ich
In blauer Luft,
Wie schwingt ihr euch freudig
Über Berg und Kluft!
 
Mein Liebchen wohl seht ihr
Im Garten gehn,
Am Springbrunnen steht sie
So morgenschön.
 
Und wäscht an der Quelle
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Ihr goldenes Haar,
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Die Äugelein helle,
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Und blickt so klar.
 
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Und Busen und Wangen
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Dürft ihr da sehn.
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Ich brenn vor Verlangen,
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Und muß hier stehn!
 
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Euch Wolken bedaur ich
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Bei stiller Nacht;
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Die Erde bebt schaurig,
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Der Mond erwacht:
 
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Da führt mich ein Bübchen
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Mit Flügelein fein,
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Durchs Dunkel zum Liebchen,
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Sie läßt mich ein.
 
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Wohl schaut ihr die Sterne
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Weit, ohne Zahl,
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Doch bleiben sie ferne
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Euch allzumal.
 
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Mir leuchten zwei Sterne
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Mit süßem Strahl,
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Die küß ich so gerne
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Vieltausendmal.
 
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Euch grüßt mit Gefunkel
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Der Wasserfall,
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Und tief aus dem Dunkel
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Die Nachtigall.
 
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Doch süßer es grüßet
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Als Wellentanz,
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Wenn Liebchen hold flüstert:
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»Dein bin ich ganz.«
 
41 
So segelt denn traurig
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In öder Pracht!
43 
Euch Wolken bedaur ich
44 
Bei süßer Nacht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.1 KB)

Details zum Gedicht „Leid und Lust“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
44
Anzahl Wörter
159
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Leid und Lust“ ist von Joseph von Eichendorff, einem der berühmtesten Dichter der deutschen Romantik. Eichendorff lebte von 1788 bis 1857, das Gedicht ist daher vermutlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden.

Auf den ersten Blick fällt das leidenschaftliche und sehnsuchtsvolle Wesen dieses Gedichts auf. Es spricht offensichtlich von Liebe, Sehnsucht und Begehren des lyrischen Ichs.

Inhaltlich geht es um das lyrische Ich, das seine Liebe und Sehnsucht nach jemandem ausdrückt, und die Natur als Mittel verwendet, um seine Gefühle zu beschreiben. Es beneidet zunächst die Wolken, weil sie frei durch die Luft schweben und das geliebte Wesen sehen können, während es selbst auf der Erde festgehalten wird und nur von der Ferne zuschauen kann. Die Wolken sind auch in der Lage, die Schönheit des Geliebten zu betrachten und zu bewundern. Allerdings verändert sich die Einstellung des lyrischen Ichs im Laufe des Gedichts von Neid auf die Wolken zu Mitleid, weil sie trotz ihrer Freiheit die Nähe und Intimität nicht erleben können, die es erfahren darf.

Formal handelt es sich um ein Gedicht in gereimten Vierzeilern. Die Sprache ist durch einfache, aber bildreiche und emotionale Ausdrücke gekennzeichnet. Besonders auffällig sind die wiederkehrenden Anspielungen auf die Natur als Spiegel für die Gefühle und Emotionen des lyrischen Ichs. Die Wolken, die Sterne, der Mond und die Nachtigall spielen eine zentrale Rolle in der Darstellung der Gefühle des lyrischen Ichs.

Alles in allem ist „Leid und Lust“ ein stark empfindsames und leidenschaftliches Werk, das die tiefe Liebe und Sehnsucht des lyrischen Ichs darstellt – eine typische Eigenschaft der Lyrik der Romantik.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Leid und Lust“ des Autors Joseph von Eichendorff. Der Autor Joseph von Eichendorff wurde 1788 geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1804 bis 1857 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Als Romantik wird die Epoche der Kunstgeschichte bezeichnet, deren Ausprägungen sich sowohl in der Literatur, Kunst und Musik als auch in der Philosophie niederschlugen. Die Epoche der Romantik lässt sich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert verorten. Die literarische Romantik kann darauf aufbauend etwa auf die Jahre 1795 bis 1848 datiert werden. Die Literatur der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts galt im Allgemeinen als wissenschaftlich und aufstrebend, was hier vor allem durch die einsetzende Industrialisierung deutlich wird. Die Gesellschaft wurde zunehmend technischer, fortschrittlicher und wissenschaftlicher. Diese Entwicklung war den Schriftstellern der Romantik zuwider. Sie stellten sich in ihren Schriften gegen das Streben nach immer mehr Gewinn, Fortschritt und das Nützlichkeitsdenken, das versuchte, alles zu verwerten. Weltflucht, Hinwendung zur Natur, Verklärung des Mittelalters (damalige Kunst und Architektur wurde nun wieder geschätzt), Rückzug in Fantasie- und Traumwelten, Betonung des Individuums und romantische Ironie sind typische Merkmale der Romantik. Die Themen der Romantik zeigen sich in verschiedenen Motiven und Symbolen. Beispielsweise gilt die Blaue Blume als das zentrale Motiv der romantischen Literatur. Sie symbolisiert Sehnsucht und Liebe und verbindet Natur, Mensch und Geist. Die Nacht hat ebenfalls eine besondere Bedeutung in der Literatur der Romantik. Sie ist der Schauplatz für zahlreiche weitere Motive dieser Epoche: Tod, Vergänglichkeit und nicht alltägliche, obskure Phänomene. Im ebenfalls in dieser Epoche zu findenden Spiegelmotiv zeigt sich die Hinwendung der Romantik zum Unheimlichen. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und Klarheit der Gedanken, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unendlich. Dabei baut sie zwar auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.

Das Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 11 Strophen und umfasst dabei 159 Worte. Die Gedichte „Mondnacht“, „Morgengebet“ und „Ostern“ sind weitere Werke des Autors Joseph von Eichendorff. Zum Autor des Gedichtes „Leid und Lust“ haben wir auf abi-pur.de weitere 395 Gedichte veröffentlicht.

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