Der Wächter von Joseph von Eichendorff

Nächtlich macht der Herr die Rund,
Sucht die Seinen unverdrossen,
Aber überall verschlossen
Trifft er Tür und Herzensgrund,
Und er wendet sich voll Trauer:
Niemand ist, der mit mir wacht.
Nur der Wald vernimmt's mit Schauer,
Rauschet fromm die ganze Nacht.
 
Waldwärts durch die Einsamkeit
10 
Hört ich über Tal und Klüften
11 
Glocken in den stillen Lüften,
12 
Wie aus fernem Morgen weit
13 
An die Tore will ich schlagen,
14 
An Palast und Hütten: Auf!
15 
Flammend schon die Gipfel ragen,
16 
Wachet auf, wacht auf, wacht auf!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Der Wächter“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
83
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Wächter“ stammt von Joseph von Eichendorff, einem deutschen Lyriker und Schriftsteller, der von 1788 bis 1857 lebte. Zeitlich ist er als Vertreter der Romantik einzuordnen, eine literarische Epoche, die etwa von 1795 bis 1848 stattfand.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht dunkel und melancholisch. Der lyrische Ich agiert als nächtlicher Wächter, der einsam seine Runde geht und niemanden findet, der mit ihm wacht. Er interpretiert diesen Umstand als Zeichen verschlossener und abweisender Herzen. Die daraus resultierende Traurigkeit wird durch die Reaktion des Waldes noch betont, der schauerlich rauscht. Die zweite Strophe hat einen eindringlicheren Ton. Hier singt der lyrische Ich die Glocken in den stillen Lüften und macht einen Weckruf an alle, ob sie in Palästen oder Hütten wohnen, mit der dringenden Botschaft: „Wachet auf, wacht auf, wacht auf!„

Dieses Gedicht ist schwer zu dechiffrieren. Jedoch könnte das lyrische Ich ein Symbol für Gott oder einen religiösen Wächter sein, der um die geistige Erweckung der Menschen bittet. Die Gesellschaft scheint gleichgültig und verschlossen für seine spirituelle Botschaft. Der Wald könnte die Natur repräsentieren, die als einzige auf seine Anwesenheit reagiert. Der Weckruf könnte daher auch als spirituelle Aufforderung interpretiert werden, dem Materialismus zu entkommen und spirituell wach zu werden.

Formal besteht „Der Wächter“ aus zwei Strophen à acht Versen. Es gibt kein festes Reimschema, was den freien Charakter des Gedichts betont. Die Sprache ist eher einfach und direkt, nur wenig metaphorisch, mit kraftvollen Imperativen („Wachet auf, wacht auf, wacht auf!“) und Elementen der Naturlyrik (Wald, Tal, Klüfte). Die traurige und dunkle Grundstimmung wird durch Wörter wie „Nächtlich“, „Trauer“, „Schauer“, „Einsamkeit“ hervorgehoben. Nur im letzten Vers gibt es ein Zeichen der Hoffnung, da die Gipfel „flammend“ in den neuen Tag hineinragen. Insgesamt ist das Gedicht also ein eindringlicher Weckruf, der sowohl das Individuum als auch die Gesellschaft zur spirituellen Wachsamkeit auffordert.

Weitere Informationen

Joseph von Eichendorff ist der Autor des Gedichtes „Der Wächter“. Im Jahr 1788 wurde Eichendorff geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1804 bis 1857 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert hinein dauerte die kulturgeschichtliche Epoche der Romantik an. Ihre Auswirkungen waren in der Literatur, der Kunst aber auch der Musik und Philosophie spürbar. Die Romantik kann in drei Phasen aufgegliedert werden: Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848). Die Welt, die sich durch die einsetzende Verstädterung und Industrialisierung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls bedeutende Auswirkungen auf die Romantik. Bedeutende Motive in der Lyrik der Romantik sind die Ferne und Sehnsucht sowie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Weitere Motive sind das Fernweh, das Nachtmotiv oder die Todessehnsucht. So symbolisierte die Nacht nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Mysteriöse, Geheimnisvolle und galt als Ursprung der Liebe. Typische Merkmale der Romantik sind die Hinwendung zur Natur, die Weltflucht oder der Rückzug in Traumwelten. Insbesondere ist aber auch die Idealisierung des Mittelalters aufzuzeigen. Kunst und Architektur des Mittelalters wurden von den Vertretern der Romantik wieder geschätzt. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über die Form als auch über den Inhalt des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die festen Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken ist zu beobachten.

Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 83 Worte. Der Dichter Joseph von Eichendorff ist auch der Autor für Gedichte wie „In Danzig“, „Kurze Fahrt“ und „Lied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Wächter“ weitere 395 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Joseph von Eichendorff

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Joseph von Eichendorff und seinem Gedicht „Der Wächter“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Joseph von Eichendorff (Infos zum Autor)

Zum Autor Joseph von Eichendorff sind auf abi-pur.de 395 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.