Das Gebet von Joseph von Eichendorff

Wen hat nicht einmal Angst befallen,
Wenn Trübnis ihn gefangenhält,
Als müßt er ewig rastlos wallen
Nach einer wunderbaren Welt?
All' Freunde sind lang fortgezogen,
Der Frühling weint in einem fort,
Eine Brücke ist der Regenbogen
Zum friedlich sichern Heimatsport.
 
Hinauszuschlagen in die Töne,
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Lockt dich Natur mit wilder Lust,
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Zieht Minne, holde Frauenschöne
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Zum Abgrund süß die sel'ge Brust;
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Den Tod siehst du verhüllet gehen
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Durch Lieb' und Leben himmelwärts,
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Ein einzig Wunder nur bleibt stehen
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Einsam über dem öden Schmerz.
 
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Du seltner Pilger, laß dich warnen!
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Aus ird'scher Lust und Zauberei,
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Die freud- und leidvoll dich umgarnen,
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Strecke zu Gott die Arme frei!
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Nichts mehr mußt du hienieden haben,
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Himmlisch betrübt, verlassen, arm,
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Ein treues Kind, dem Vater klagen
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Die ird'sche Lust, den ird'schen Harm.
 
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Es breitet diese einz'ge Stunde
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Sich übers ganze Leben still,
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Legt blühend sich um deine Wunde,
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Die niemals wieder heilen will.
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Treu bleibt der Himmel stets dem Treuen,
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Zur Erd das Ird'sche niedergeht,
31 
Zum Himmel über Zaubereien
32 
Geht ewig siegreich das Gebet.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.4 KB)

Details zum Gedicht „Das Gebet“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
169
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Gebet“ stammt von Joseph von Eichendorff, einem bedeutenden Vertreter der deutschen Romantik, der von 1788 bis 1857 lebte.

Auf den ersten Blick erscheint das Gedicht als Ausdruck von Melancholie und spiritueller Suche. Das lyrische Ich erfährt eine Existenzkrise und sucht nach Erlösung und Heimat. Das Gedicht ist in vier Strophen unterteilt, jede mit acht Versen.

In der erste Strophe drückt das lyrische Ich seine tiefe Melancholie und Einsamkeit aus, indem es beschreibt, wie es von Dunkelheit und Traurigkeit gefangen ist. Es scheint sich in einer vertrauten Welt verloren zu haben und drückt eine tiefe Sehnsucht nach einer wunderbaren Welt aus, die es zu erreichen sucht.

Die zweite Strophe beschreibt die Gefahren und Verlockungen des Lebens. Natur, Leidenschaft (Minne) und Tod wirken zugleich lockend und bedrohlich. Allerdings bleibt im Angesicht all dieser Erfahrungen nur ein einziges Wunder bestehen – das Gebet – welches über den Schmerzen steht.

Die dritte Strophe ist eine Art Warnung und zugleich ein Ratschlag: Das lyrische Ich wird als seltener Pilger bezeichnet, der sich von den Bindungen der Welt lösen und sich zu Gott wenden soll.

In der letzten Strophe erreicht das Gedicht seinen Höhepunkt: Jedes Leid, jede Wunde findet ein Echo in der Transzendenz des Gebetes. Es gibt eine klare Trennung zwischen dem Irdischen und Himmlischen, und das Gebet wird als ewig siegreich dargestellt.

Formal gesehen folgt das Gedicht keinem strikten Reimschema, was zu einer freieren Ausdrucksform beiträgt. Der Versbau ist vielfach jambisch, was die emotionale Ausdruckskraft des Gedichts erhöht. Der Sprachstil ist typisch für die Romantik: Bildhaft und stark emotional. Es wird viel mit Symbolen und Metaphern gearbeitet, was die emotionale Spannweite des lyrischen Ichs ausdrückt. Unterm Strich ist das Gedicht eine tiefgreifende Reflexion über das Leben, seine Schönheiten und Gefahren sowie die Suche nach dem Göttlichen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das Gebet“ des Autors Joseph von Eichendorff. Der Autor Joseph von Eichendorff wurde 1788 geboren. Im Zeitraum zwischen 1804 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Bei Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Als Romantik wird die Epoche der Kunstgeschichte bezeichnet, deren Ausprägungen sich sowohl in der Literatur, Kunst und Musik als auch in der Philosophie niederschlugen. Die Epoche der Romantik lässt sich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert verorten. Die literarische Romantik kann darauf aufbauend etwa auf die Jahre 1795 bis 1848 zeitlich eingeordnet werden. Die Romantik wird in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) unterschieden. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Romantiker in Auflösung begriffen. In der Romantik finden sich verschiedene charakteristische Motivkreise. Sehnsucht und Liebe (Blaue Blume) oder das Unheimliche (Spiegelmotiv) sind bedeutende zu benennende Motive. Auch politische Motive wie Weltflucht, Nationalismus und Gesellschaftskritik lassen sich aufzeigen. Das Mittelalter gilt bei den Romantikern als Ideal und wird verherrlicht. Übel und Missstände des Mittelalters bleiben jedoch unbeachtet. Die äußere Form von romantischer Dichtung ist dabei völlig offen. Kein starres Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits unmittelbar nach Erscheinen wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das vorliegende Gedicht umfasst 169 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Weitere Werke des Dichters Joseph von Eichendorff sind „Mondnacht“, „Morgengebet“ und „Ostern“. Zum Autor des Gedichtes „Das Gebet“ haben wir auf abi-pur.de weitere 395 Gedichte veröffentlicht.

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