Die Zauberin im Walde von Joseph von Eichendorff
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»Schon vor vielen, vielen Jahren |
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Saß ich drüben an dem Ufer, |
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Sah manch Schiff vorüberfahren |
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Weit hinein ins Waldesdunkel. |
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Denn ein Vogel jeden Frühling |
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An dem grünen Waldessaume |
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Sang mit wunderbarem Schalle, |
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Wie ein Waldhorn klang's im Traume. |
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Und gar seltsam hohe Blumen |
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Standen an dem Rand der Schlünde, |
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Sprach der Strom so dunkle Worte, |
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's war, als ob ich sie verstünde. |
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Und wie ich so sinnend atme |
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Stromeskühl und Waldesdüfte, |
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Und ein wundersam Gelüsten |
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Mich hinabzog nach den Klüften: |
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Sah ich auf kristallnem Nachen, |
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Tief im Herzensgrund erschrocken, |
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Eine wunderschöne Fraue, |
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Ganz umwallt von goldnen Locken. |
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Und von ihrem Hals behende |
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Tät sie lösen eine Kette, |
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Reicht' mit ihren weißen Händen |
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Mir die allerschönste Perle. |
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Nur ein Wort von fremdem Klange |
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Sprach sie da mit rotem Munde, |
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Doch im Herzen ewig stehen |
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Wird des Worts geheime Kunde. |
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Seitdem saß ich wie gebannt dort, |
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Und wenn neu der Lenz erwachte, |
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Immer von dem Halsgeschmeide |
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Eine Perle sie mir brachte. |
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Ich barg all' im Waldesgrunde, |
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Und aus jeder Perl der Fraue |
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Sproßte eine Blum zur Stunde, |
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Wie ihr Auge anzuschauen. |
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Und so bin ich aufgewachsen, |
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Tät der Blumen treulich warten, |
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Schlummert oft und träumte golden |
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In dem schwülen Waldesgarten. |
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Fortgespült ist nun der Garten |
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Und die Blumen all' verschwunden, |
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Und die Gegend, wo sie standen, |
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Hab ich nimmermehr gefunden. |
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In der Fern liegt jetzt mein Leben, |
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Breitend sich wie junge Träume, |
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Schimmert stets so seltsam lockend |
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Durch die alten, dunklen Bäume. |
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Jetzt erst weiß ich, was der Vogel |
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Ewig ruft so bange, bange, |
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Unbekannt zieht ew'ge Treue |
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Mich hinunter zu dem Sange. |
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Wie die Wälder kühle rauschen, |
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Zwischendurch das alte Rufen, |
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Wo bin ich so lang gewesen? |
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O ich muß hinab zur Ruhe!« |
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Und es stieg vom Schloß hinunter |
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Schnell der süße Florimunde, |
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Weit hinab und immer weiter |
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Zu dem dunkelgrünen Grunde. |
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Hört' die Ströme stärker rauschen, |
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Sah in Nacht des Vaters Burge |
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Stillerleuchtet ferne stehen, |
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Alles Leben weit versunken. |
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Und der Vater schaut' vom Berge, |
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Schaut' zum dunklen Grunde immer, |
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Regte sich der Wald so grausig, |
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Doch den Sohn erblickt' er nimmer. |
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Und es kam der Winter balde, |
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Und viel Lenze kehrten wieder, |
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Doch der Vogel in dem Walde |
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Sang nie mehr die Wunderlieder. |
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Und das Waldhorn war verklungen |
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Und die Zauberin verschwunden, |
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Wollte keinen andern haben |
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Nach dem süßen Florimunde. |
Details zum Gedicht „Die Zauberin im Walde“
Joseph von Eichendorff
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1788 - 1857
Romantik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Die Zauberin im Walde“ ist von Joseph von Eichendorff, einem deutschen Dichter und Schriftsteller aus der Epoche der Romantik. Eichendorff wurde am 10. März 1788 geboren und starb am 26. November 1857.
Das Gedicht macht beim ersten Lesen einen mystischen, fast märchenhaften Eindruck und regt zur Imagination an. Die Sprache ist bildreich und emotional, typisch für Eichendorffs Stil und die Romantik im Allgemeinen. Die Natur spielt eine zentrale Rolle und es werden viele persönliche Gefühle und Empfindungen dargestellt.
Inhaltlich erzählt das Gedicht die Geschichte des lyrischen Ichs, das sich an einem Ufer eines Flusses oder Sees in einem Wald aufhält und dort eine magische Begegnung mit einer zauberhaften Frau, der Zauberin, hat. Diese Frau scheint dem lyrischen Ich einen Zauber zu wirken, der es immer wieder an diesen Ort zurückzieht und dazu veranlasst, immer mehr Perlen zu sammeln und Blumen zu pflanzen. Obwohl das lyrische Ich schlussendlich den Garten und die Blumen verliert und nicht wiederfindet, bleibt es von der Zauberin und ihrem Zauber gefangen. Diese Geschichte könnte als metaphorische Darstellung eines starken emotionalen Zustands oder einer tiefen Liebe, die das lyrische Ich empfindet, interpretiert werden.
Das Gedicht ist in vierzeilige Strophen unterteilt und hat einen einheitlichen Reim (AABB). Eichendorff nutzt eine sehr bildhafte und anschauliche Sprache, die es den Lesern ermöglicht, die dargestellten Szenen, Personen und Gefühle des lyrischen Ichs lebendig vorzustellen. Eine besondere Rolle spielen hierbei die zahlreichen Naturbeschreibungen, die typisch für die Romantik sind: Blumen, Wald, Vogelgesang, Fluss, Nacht, Winter, „Waldesdunkel“, „Waldesaum“, „Waldesduft“, „Waldesgrunde“, „Waldesgarten“. Das Gedicht zeugt von der Sehnsucht des Autors nach Harmonie mit der Natur und mystischen Erfahrungen und durchdringt deshalb eine melancholische Stimmung.
„Die Zauberin im Walde“ beinhaltet mehrere Elemente des Romantik-Typs: Es führt die Leser in eine fantastische, mystische Welt. Der Held folgt seiner inneren Stimme ins Unbekannte, in den dunklen „Waldesgrund“, hinein in seine Träume und Gefühle. Er ist von der Schönheit und Magie der Natur fasziniert und gleichzeitig von ihr gefangen. Die Natur dient in diesem Gedicht als Spiegel und Ausdrucksform der eigenen Gefühle und Sehnsüchte.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Die Zauberin im Walde“ ist Joseph von Eichendorff. Der Autor Joseph von Eichendorff wurde 1788 geboren. Zwischen den Jahren 1804 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Der Romantik vorausgegangen waren die Epochen der Weimarer Klassik und der Aufklärung. Die Literaturepoche der Romantik ist zeitlich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein einzuordnen. Besonders auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Musik und der Literatur hatte diese Epoche Auswirkungen. Bis in das Jahr 1804 hinein spricht man in der Literatur von der Frühromantik, bis 1815 von der Hochromantik und bis 1848 von der Spätromantik. Die Welt, die sich durch die einsetzende Verstädterung und Industrialisierung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls Auswirkungen auf die Romantik. In der Romantik finden sich unterschiedliche charakteristische Motivkreise. Sehnsucht und Liebe (Blaue Blume) oder das Unheimliche (Spiegelmotiv) sind bedeutende zu benennende Motive. Auch politische Motive wie Weltflucht, Nationalismus und Gesellschaftskritik lassen sich aufzeigen. Das Mittelalter gilt bei den Romantikern als Ideal und wird verherrlicht. Übel und Missstände des Mittelalters bleiben jedoch unbeachtet. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über die Form als auch über den Inhalt des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die starren Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken fällt auf.
Das Gedicht besteht aus 76 Versen mit insgesamt 19 Strophen und umfasst dabei 381 Worte. Joseph von Eichendorff ist auch der Autor für Gedichte wie „Mondnacht“, „Morgengebet“ und „Ostern“. Zum Autor des Gedichtes „Die Zauberin im Walde“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 395 Gedichte vor.
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