Donna Urraca von Joseph von Eichendorff

Schon in Trümmern lag Zamora,
Das der stolze Cid umzingelt,
Auf den Turm da trat Urraca,
Rief von den zerschoßnen Zinnen:
»Übermüt'ger Cid da drunten,
Solltest dich der Zeit erinnern,
Da am Altar von Sankt Jago,
Sie geschlagen dich zum Ritter!
An dem Tage gab mein Vater
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Waffen dir zum Angebinde,
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Meine Mutter gab dein Roß dir.
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Wie so fein die Sporen klingen!
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Ich hab dir sie umgebunden
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Damals schien's, wir schieden nimmer,
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Anders wollten's meine Sünden,
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Anders wandten's die Geschicke:
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Mit Ximene von Lozano
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Tauschtest treulos du die Ringe.
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Schlecht gezielet, Don Rodrigo!
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Höhres Ziel war dir beschieden,
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Kron und Reich, die ich dir brachte,
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Gabst du hin für Silberlinge
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Und verlorst die Königstochter,
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Um die Magd dir zu gewinnen!«
 
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»Auf, mein Volk«, rief da der Ritter,
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»Auf und wendet euch von hinnen!
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Denn ein Pfeil dort durch die Lüfte
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Schwirrte von des Turmes Zinnen,
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Ohne Eisen war die Spitze,
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Hat mir doch das Herz zerrissen,
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Und kein Heilkraut gibt's auf Erden,
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Muß fortan nun trostlos irren!«
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Donna Urraca“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
168
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Donna Urraca“ stammt aus der Feder des bedeutenden deutschen Lyrikers der Romantik Joseph von Eichendorff (* 10. März 1788, † 26. November 1857). Es kann somit der Epoche der Romantik (Ende 18./Anfang 19. Jahrhundert) zugeordnet werden.

Der erste Eindruck des Gedichts ist gekennzeichnet durch ein dramatisches Szenario. Es scheint um Krieg, Verlust und unerfüllte Liebe zu gehen, was Eichendorffs typisches romantisch-heroisches Motiv reflektiert.

Das Gedicht erzählt, vereinfacht, die Geschichte von Donna Urraca, die auf den Trümmern von Zamora steht, die durch Cid belagert werden. Sie spricht den Cid mit Vorwürfen an und erinnert ihn an ihre gemeinsame Vergangenheit, an die Zeit, als er noch ein Ritter von niedrigem Stand war, und er dank ihres Vaters zum Ritter geschlagen wurde. Cid hat jedoch Donna nicht geheiratet, sondern Ximene von Lozano und dies empfindet sie als Verrat. Am Ende des Gedichts reagiert Cid auf ihre Anschuldigungen und symbolisiert seinen emotionalen Schmerz durch einen Pfeil, der ihm das Herz zerrissen habe.

In Form und Sprache des Gedichts zeigt sich deutlich die romantische Prägung. Eichendorff wählt einen erzählerischen Stil, und das Gedicht weist einen klar strukturierten Aufbau mit zwei Strophen auf. Es ist in Versform verfasst und die Sprache ist pathetisch und dramatisch. Besonders hervorzuheben ist Eichendorffs Umgang mit Metaphern, Beispiel hierfür ist der Pfeil, der den emotionalen Schmerz von Cid repräsentiert. Die Verwendung des altertümlichen Du („dich“, „dir“) ist zudem ein charakteristisches Merkmal von Eichendorffs Sprachgebrauch und verdichtet die historisch-romantische Atmosphäre des Gedichts.

Zusammenfassend kann man „Donna Urraca“ als ein Gedicht charakterisieren, das auf dramatische Weise eine unerfüllte Liebe und den daraus resultierenden Schmerz thematisiert – das tiefe emotionale Leid wird dabei in die Geschichte einer kriegerischen Auseinandersetzung eingebettet. Hierdurch offenbart sich die Sprengkraft der Leidenschaft und Emotion, verdeutlicht durch die symbolischen Elemente des zerstörten Zamora und des Herzens, das von einem Pfeil durchbohrt wurde.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Donna Urraca“ des Autors Joseph von Eichendorff. Eichendorff wurde im Jahr 1788 geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1804 und 1857. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Romantik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik war eine Epoche der europäischen Literatur, Kunst und Kultur. Sie begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts und dauerte in der Literatur bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Literaturepoche der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Welt, die sich durch die einsetzende Verstädterung und Industrialisierung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls bedeutende Auswirkungen auf die Romantik. Bedeutende Motive in der Lyrik der Romantik sind die Ferne und Sehnsucht sowie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Weitere Motive sind das Fernweh, das Nachtmotiv oder die Todessehnsucht. So symbolisierte die Nacht nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Mysteriöse, Geheimnisvolle und galt als Quelle der Liebe. Typische Merkmale der Romantik sind die Hinwendung zur Natur, die Weltflucht oder der Rückzug in Traumwelten. Insbesondere ist aber auch die Idealisierung des Mittelalters aufzuzeigen. Kunst und Architektur des Mittelalters wurden von den Vertretern der Romantik wieder geschätzt. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und Klarheit der Gedanken, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unbegrenzt. Zwar baut sie dabei auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.

Das vorliegende Gedicht umfasst 168 Wörter. Es baut sich aus 2 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Joseph von Eichendorff ist auch der Autor für Gedichte wie „Kurze Fahrt“, „Lied“ und „Mondnacht“. Zum Autor des Gedichtes „Donna Urraca“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 395 Gedichte vor.

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