Das Waldfräulein von Joseph von Eichendorff

Falke war im Wald verflogen
Und die Hunde irrten weit,
Jagdmüd lehnt' an eine Eiche
Sich der Ritter im Gestein,
Eine Jungfrau da erschrocken
In des Wipfels Dunkelheit
Sah er stehen, ihre Locken
Rings umgaben Stamm und Zweig.
»Staune nicht und laß dein Graun,
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Bin ein Königstöchterlein,
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Sieben Zauberfraun mich haben
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Auf der Amme Schoß gefeit,
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Daß ich sieben Jahr muß wohnen
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Hier in Waldeseinsamkeit.
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Sieben Jahr sind heut verflossen
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Oder morgen um die Zeit,
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Bitte dich um Gottes willen,
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Führ mich aus dem Walde heim,
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Will als Ehefrau dir dienen,
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Oder auch dein Liebchen sein.«
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»Fräulein, noch bis morgen frühe
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Harret in dem Walde mein
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Hab zu Haus 'ne weise Mutter,
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Will erst fragen, was sie meint.«
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Sie vom Baum rief: »Weh dem Ritter,
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Der die Jungfrau läßt allein!«
 
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Er ritt fort, sie blieb im Walde,
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Mutter riet, er sollt sie frein.
 
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Als er morgens kehrt' zurücke,
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War's so stille im Gestein,
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Konnt den Baum nicht wiederfinden
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Aber weit, vom Walde weit
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Sah er ziehn ein Fähnlein Reiter,
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Führten fort das Waldfräulein;
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Und er stürzt zu Boden nieder
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In der grünen Einsamkeit:
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»Schwer Gericht verdient der Ritter
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Der verloren solche Maid!
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Ich will selbst den Stab mir brechen,
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Ich will selbst mein Richter sein,
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Abhaun soll man mir die Rechte
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Und mich schleifen durch die Heid!«
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Das Waldfräulein“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
217
Entstehungsjahr
1788 - 1857
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Waldfräulein“ stammt von Joseph von Eichendorff, einem bedeutenden Lyriker und Schriftsteller der deutschen Romantik. Eichendorff wurde 1788 geboren und starb 1857. Das Gedicht fällt somit in die Epoche zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert, in der sich die dichterische Vorstellungskraft und die Beschäftigung mit dem Übernatürlichen und Verborgenen besonders herausbildeten.

Beim ersten Lesen erzeugt das Gedicht eine atmosphärische, märchenhafte und zugleich etwas düstere Stimmung. Das lyrische Ich erzählt eine Geschichte, die stark von der Liebe und der Ehre eines Ritters gegenüber einem Waldfräulein geprägt ist.

Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich zunächst, wie ein Ritter im Wald auf ein geheimnisvolles Fräulein trifft, das angeblich unter einem Zauber leidet und von ihm aus dem Wald herausgeführt werden möchte. Der Ritter verspricht seine Rückkehr am nächsten Morgen, nachdem er zu Hause um Rat gefragt hat. Als er jedoch zurückkommt, kann er das Fräulein nicht mehr finden und sieht nur, wie sie von einer Gruppe Reiter davongetragen wird. Überwältigt von Schuld und Reue legt der Ritter ein hartes Urteil über sich selbst und sein Versagen.

Das Gedicht ist im Stil der Romantik verfasst. Es besteht aus einer Mischung von Vierzeilern und Sechszeilern mit regelmäßigem Reimschema und Betonungsmuster. Die Sprache ist markant und bildhaft, sie vermittelt die geheimnisvolle und zugleich tragische Atmosphäre der Geschichte eindrucksvoll. Der Ausdruck ist dabei recht einfach und direkt, doch zugleich durch die Anspielungen auf zauberhafte Motive und mittelalterliche Ritterkultur geheimnisvoll und poetisch.

Mit „Das Waldfräulein“ hat Joseph von Eichendorff eine Parabel auf die romantische Liebe geschaffen, die sowohl an die Vergänglichkeit dieser Liebe als auch an die Pflichten und die Ehre, die damit einhergehen, erinnert. Dabei vermittelt er die emotionalen Zwänge und Konflikte, mit denen die Menschen in Liebesbeziehungen konfrontiert sind, in einer anschaulichen und einfühlsamen Weise.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das Waldfräulein“ des Autors Joseph von Eichendorff. Der Autor Joseph von Eichendorff wurde 1788 geboren. Zwischen den Jahren 1804 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Eichendorff ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis spät in das 19. Jahrhundert hineinreichte. Insbesondere in den Bereichen der Literatur, Musik oder der bildenden Kunst hatte diese Epoche umfangreiche Auswirkungen. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Die Welt, die sich durch die beginnende Industrialisierung und Verstädterung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls bedeutende Auswirkungen auf die Romantik. Die zentralen Motive der Literatur der Romantik sind das Schaurige, Unterbewusste, Fantastische, Leidenschaftliche, Individuelle, Gefühlvolle und Abenteuerliche, welche die Grenzen des Verstandes sprengen und erweitern sollen und sich gegen das bloße Nützlichkeitsdenken sowie die Industrialisierung richten. Die Romantiker sehnen sich nach der Einheit von Geist und Natur. Ein Hinwenden zum Mittelalter ist erkennbar. So werden Kunst und Architektur dieser vergangenen Zeit geschätzt. Die Missstände dieser Zeit bleiben jedoch unerwähnt. Die äußere Form von romantischer Literatur ist völlig offen. Kein festgesetztes Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits unmittelbar nach Erscheinen wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das vorliegende Gedicht umfasst 217 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 42 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joseph von Eichendorff sind „Die Heimat“, „In Danzig“ und „Kurze Fahrt“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Waldfräulein“ weitere 395 Gedichte vor.

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