Weh Valencia! von Joseph von Eichendorff
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Eingeschlossen war Valencia, |
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Konnte kaum sich langer wahren |
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Weil sich die Almoraviden |
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Zögernd nicht zum Beistand wandten. |
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Da dies sah ein alter Maure: |
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Auf des höchsten Turmes Warte |
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Stieg er schweigend da, noch einmal |
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Zu beschauen Stadt und Lande. |
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Und wie sie herauf so leuchten, |
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Brach das Herz ihm bei dem Glanze; |
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Gramvoll mit prophet'schem Munde |
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Also von dem Turme sprach er: |
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»O Valencia, o Valencia, |
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Würd'ge Herrscherin der Lande, |
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Deine heitre Pracht muß sinken, |
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So sich Gott nicht dein erbarmet! |
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Die vier Felsen, drauf du thronest, |
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Würden, wenn sie könnten, klagen, |
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Deine festen Mauern seh ich |
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Von dem wilden Anlauf wanken, |
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Deine Türme, die so trostreich |
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Über Land und Völker ragen, |
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Werden unaufhaltsam stürzen, |
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Deine Zinnen, gleich Kristallen, |
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Ihren Wunderglanz verlöschen, |
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Und dein mächt'ger Guadalaviar |
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Wird aus seinen Ufern steigen, |
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Trüben jeden Bach im Lande. |
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In den trocknen Wasserkünsten |
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Funkeln nimmermehr die Strahlen, |
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Rings in deinen schönen Gärten, |
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Die fortan verwildernd ranken, |
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Werden Hirsche einsam grasen, |
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Alles fröhl'che Grün zernagend. |
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Keinen Duft mehr haucht die Luft her, |
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Wo vieltausend Blumen standen, |
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Muß das Glühen all verblühen; |
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Wo jetzt Schiffe kommen, fahren, |
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Liegt verödet Strand und Hafen, |
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Und vom weiten Bergeskranze, |
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Den du mächtig einst beherrschtest, |
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Schlagen blutrot auf die Flammen, |
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Daß das Qualmen dich erblindet |
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Rings von deiner Länder Brande, |
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Bis, als eine Todeswunde |
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Alles Volk dich hat verlassen. |
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O Valencia, o Valencia, |
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Helf dir Gott in jenen Tagen! |
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Oft schon hab ich es verkündet |
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Was ich weinend jetzt beklage.« |
Details zum Gedicht „Weh Valencia!“
Joseph von Eichendorff
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50
241
1788 - 1857
Romantik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Weh Valencia!“ stammt von Joseph von Eichendorff, einem der bedeutendsten Lyriker der Romantik, was es in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts einordnet. Beim ersten Lesen kommt eine düstere Stimmung auf. Das Gedicht beschreibt eine Stadt, die ihrer Untergang entgegensieht und von einem alten Mauren beklagt wird.
Inhaltlich erzählt das Gedicht von der Belagerung und dem bevorstehenden Untergang der Stadt Valencia, die nicht länger Widerstand gegen ihre Eroberer leisten kann. Das lyrische Ich, welches ein alter Maure zu sein scheint, steigt auf den höchsten Turm der Stadt, um ein letztes Mal den Anblick zu genießen. Er beklagt die bevorstehende Zerstörung der Stadt, spricht prophetisch von der bevorstehenden Vernichtung ihrer Schönheit, von ihren Mauern und Türmen bis hin zu ihren Gärten und dem Hafen.
Das Gedicht hat einen starken Klageton, das lyrische Ich trauert um den drohenden Verlust der Stadt, dessen Glück und Schönheit. Auch wird eine apokalyptische Stimmung erzeugt. Trotz der traurigen Thematik und düsteren Stimmung hat das Gedicht eine tiefe Schönheit und Emotionalität.
Formell besteht das Gedicht aus einer einzigen Strophe mit 50 Versen. Es weist keinen offensichtlichen Reim auf, was nochmals zur ernsten, melancholischen Stimmung beiträgt. Sprachlich ist das Gedicht stark detailliert und bildhaft, es schafft ein starkes Bild von der Schönheit Valencias und wie diese vom Untergang bedroht ist. Die wiederholte Anrufung „O Valencia, o Valencia“ und die wiederholten Klagen betonen die Traurigkeit und Verzweiflung des lyrischen Ichs. Eichendorff gelingt es mit seinem poetischen Stil, eine dramatische und bedrückende Stimmung zu erzeugen, die auch für die Leser spürbar wird.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Weh Valencia!“ des Autors Joseph von Eichendorff. Der Autor Joseph von Eichendorff wurde 1788 geboren. Zwischen den Jahren 1804 und 1857 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Eichendorff handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.
Die Romantik ist eine Epoche der Kulturgeschichte, zeitlich anzusiedeln vom späten 18. Jahrhundert bis tief in das 19. Jahrhundert hinein. Auf die Literatur bezogen: von 1795 bis 1848. Sie hatte verschiedenste Auswirkungen auf Literatur, Musik, Philosophie und Kunst jener Zeit. Die Romantik kann in drei Phasen unterteilt werden: Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848). Die Zeit der Romantik war für die Menschen in Europa von Umbrüchen geprägt. Die Französische Revolution (1789 - 1799) zog weitreichende Folgen für ganz Europa nach sich. Auch der Fortschritt in Wissenschaft und Technik, der den Beginn des industriellen Zeitalters einläutete, verunsicherte die Menschen und prägte die Gesellschaft. Weltflucht, Hinwendung zur Natur, Verklärung des Mittelalters (damalige Kunst und Architektur wurde nun wieder geschätzt), Rückzug in Fantasie- und Traumwelten, Betonung des Individuums und romantische Ironie sind typische Merkmale der Romantik. Die Themen der Romantik zeigen sich in verschiedenen Motiven und Symbolen. So gilt beispielsweise die Blaue Blume als das zentrale Motiv der Romantik. Sie symbolisiert Liebe und Sehnsucht und verbindet Natur, Mensch und Geist. Die Nacht hat ebenfalls eine besondere Bedeutung in der Romantik. Sie ist der Schauplatz für viele weitere Motive dieser Epoche: Tod, Vergänglichkeit und nicht alltägliche, obskure Phänomene. Im ebenfalls in dieser Epoche zu findenden Spiegelmotiv zeigt sich die Hinwendung der Romantik zum Unheimlichen. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Gedichten und Texten. Phantasie ist für Romantiker das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Wissenschaft und Poesie, zwischen Wirklichkeit und Traum soll durchbrochen werden. Die Romantiker streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es letztlich, alle Lebensbereiche zu poetisieren.
Das 241 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 50 Versen mit nur einer Strophe. Weitere Werke des Dichters Joseph von Eichendorff sind „Mondnacht“, „Morgengebet“ und „Ostern“. Zum Autor des Gedichtes „Weh Valencia!“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 395 Gedichte vor.
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