Der alte Grenadier von Achim von Arnim

Hier auf Leichen muß ich sitzen
In dem wüsten Auerstädt,
Seh die Feinde näher blitzen,
Wie ihr Schwert die Preußen mäht.
Beide Füße sind zerschossen,
Sterbend mich der Sohn forttrug,
Wo mit Friederich dem Großen
Ich die wilden Feinde schlug.
Lieber Sohn, auf deinem Rücken
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Würfle ich um das Geschick,
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Denn ich kann mich nun nicht bücken,
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Denn ich sah des Alten Blick.
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Hier sollt ich gefangen werden.
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Fernhin sah ich Roßbachs Feld,
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Wo sie flohn wie Lämmerheerden,
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Wo ein jeder Preuße Held.
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Hieher mit den Grenadieren
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Zog ich ganz aus freiem Stück;
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Keiner weiß uns anzuführen,
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Es ist aus mit unserm Glück.
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Wär ich nun daheim geblieben,
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Glaubte ich es keinem Freund;
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Wäre ich nur todt geblieben,
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Ach schon trommelt nah der Feind.
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Wie die Gänse thun sie schreien,
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Nein, die Flinte kriegt ihr nicht,
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Alter Ruhm thät mir sie weihen,
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Die mein Arm in Stücken bricht.
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Auf dem Heerd das Feuer brennet,
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Hat ein Geist es angemacht?
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Wie es in dem Dorfe rennet,
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Freiheit weht in Flammenmacht.
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»Darum säe ich die Kohlen
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Hier im dichten Strohe aus,
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Daß uns nicht die Feinde holen,
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Knabe flieh, ich zünd das Haus.«
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Kommt der Knabe nicht gelaufen,
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Will nicht um sich sehn, er flieht,
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Die Blessirten sind in Haufen
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Und sie lächeln wie es glüht,
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Als die Flammen aufwärts steigen,
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Tausend Seelen ziehn empor,
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Und die Feinde müssen weichen
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Vor dem strahlenreichen Chor
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Und aus ihren Marterqualen
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Brennen die Blessirten auf,
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Ach wer kann den Alten mahlen,
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Wie er reisig steht zum Lauf,
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Und in mächtigen Gedanken
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Springet ihm der Scheitel durch,
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Ewger Muth bricht alle Schranken,
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Ringet in die Himmelsburg.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.1 KB)

Details zum Gedicht „Der alte Grenadier“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
52
Anzahl Wörter
270
Entstehungsjahr
1806
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der alte Grenadier“ wurde von Achim von Arnim verfasst. Arnim war ein deutscher Dichter und Schriftsteller der Romantik und lebte von 1781 bis 1831. Damit ist das Gedicht in das frühe 19. Jahrhundert einzuordnen.

Auf den ersten Blick scheint das Gedicht sehr düster und dramatisch. Es geht um einen alten Veteranen, der inmitten einer kriegszerstörten Landschaft über seine Vergangenheit nachdenkt und sich den traurigen Realitäten des Krieges stellt. Der alte Grenadier scheint von seinen Erinnerungen an frühere Schlachten beeinflusst zu sein und ist betroffen von den Veränderungen, die der Krieg in seiner geliebten Heimat verursacht hat.

Inhaltlich lässt sich das Gedicht wie folgt zusammenfassen: Der alte Grenadier sitzt auf dem Schlachtfeld von Auerstedt, umgeben von Feinden. Er erinnert sich an frühere Kriege mit Friedrich dem Großen und fühlt Traurigkeit und Resignation über den Verlust seines Sohnes und seiner eigenen körperlichen Verwundungen. Doch trotzt seinem Schicksal, weigert er sich, seine Waffe zu übergeben und setzt stattdessen sein eigenes Haus in Brand, um den Feinden keinen Gewinn zu ermöglichen.

Analytisch scheint hier das lyrische Ich eine mahnende Funktion zu haben: Der Krieg wird als destruktiv und ausweglos dargestellt, gefangen in einer Spirale von Gewalt und Tod. Die persönliche Tragödie des alten Grenadiers unterstreicht die Sinnlosigkeit und das Leid des Krieges. Gleichzeitig zeigt er jedoch Mut und Widerstandsgeist und wird somit zur Symbolfigur des unbesiegten Geistes.

In Bezug auf Form und Sprache ist das Gedicht in Reimform geschrieben und hält sich an ein strenges Metrum. Die Sprache ist sehr bildreich und führt den Leser auf eine emotionale Reise mit dem lyrischen Ich, während es sich mit Krieg, Tod, Erinnerung und Widerstand auseinandersetzt. Besonders hervorstechend ist der Gebrauch von natürlichen und antreibenden Bildern, wie dem Brennen des Hauses oder dem Strahlen der Seelen. Hierdurch unterstreicht von Arnim sowohl die Tragik als auch die unbezwingbare Energie des protagonisten, welche sich in seiner finalen, mutigen Handlung manifestiert.

Weitere Informationen

Achim von Arnim ist der Autor des Gedichtes „Der alte Grenadier“. Im Jahr 1781 wurde Arnim in Berlin geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1806 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Arnim ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik äußerte. Aber auch die Gebiete Geschichte, Theologie und Philosophie sowie Medizin und Naturwissenschaften waren von ihren Auswirkungen betroffen. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Die Zeit der Romantik war für die Menschen in Europa von Umbrüchen geprägt. Die Französische Revolution (beginnend im Jahr 1789) zog weitreichende Folgen für ganz Europa nach sich. Auch der Fortschritt in Technik und Wissenschaft, der den Beginn des industriellen Zeitalters einläutete, verunsicherte die Menschen und prägte die Gesellschaft. Als Merkmale der Romantik sind die Weltflucht, die Verklärung des Mittelalters, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen zu benennen. Wichtige Symbole der Romantik sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und Klarheit der Gedanken, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unendlich. Zwar baut sie dabei auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.

Das Gedicht besteht aus 52 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 270 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Achim von Arnim sind „Des ersten Bergmanns ewige Jugend“, „Der Falke“ und „Ehe“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der alte Grenadier“ weitere 173 Gedichte vor.

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