Die Uebergabe von Stettin, Küstrin, Magdeburg und Hameln von Achim von Arnim

Trompeter, komm' uns nicht zu nah!
Die Wälle möchten fallen,
Was auch bei Jericho geschah,
Erst glaubt man's nicht, dann ist es da,
Wenn die Trompeten schallen.
 
Du Gouverneur der Stadt Stettin
Machst gar sehr schwache Mienen,
Du bist sonst grob, sei einmal kühn,
Wenn sie an unsr Wälle ziehn,
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Mit Kugeln sie bedienen.
 
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Er füllet mit gewalt'ger Eil'
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Die eingestürzten Wälle,
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Geschieht das nur zur Kurzeweil,
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Da tausend Mann mit Axt und Beil
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Die schönen Bäume fällen.
 
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Sie fordern auf, und meinen nicht,
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Daß du dich würdest geben;
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Doch du verträgst kein solch Gericht,
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Der Tag sich auch schon wieder bricht,
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Du mußt dich übergeben.
 
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Wie das erhört ein altes Weib,
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Sie ging mit dem Pantoffel
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Dem Kommandanten sehr zu Leib,
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Es war ihr gar kein Zeitvertreib,
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Er schrie, der arme Teufel.
 
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Die Garnison hat kurz und klein
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All ihr Gewehr' zerbrochen,
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Zerrissen muß der Rock auch sein,
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Wir alle schwören Stein und Bein.
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Daß sie sich gern gerochen.
 
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Ihr Gouverneurs, denkt diesem nach,
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Nichts müßt ihr halb beginnen,
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Und brennt das Schnupftuch auch zu Asch'
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In eurer weiten alten Tasch',
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Ihr müßt euch nicht besinnen.
 
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Für Zaubereien hütet euch,
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Küstrin ist so gefallen,
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Der Kommandante kam sogleich
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Mit den Franzosen in Vergleich,
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Wie er hört Geld erschallen.
 
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In Magdeburg, da baten drum
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Elftausend der Jungfrauen,
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Sind so viel drin, so sei es drum!
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Der Kommandante war so dumm,
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Kaum will der Feind ihm trauen.
 
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In Hameln pfiff den Kommandant
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Der alte Rattenfänger,
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Es kräht der Hahn zu seiner Schand',
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Er hat verrathen Leut' und Land
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Und hielt sich auch nicht länger.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Die Uebergabe von Stettin, Küstrin, Magdeburg und Hameln“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
50
Anzahl Wörter
263
Entstehungsjahr
1806
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Übergabe von Stettin, Küstrin, Magdeburg und Hameln“ stammt von Achim von Arnim, einem führenden Vertreter der deutschen Romantik, der von 1781 bis 1831 lebte. Die Romantik als kulturelle Epoche erstreckte sich in Deutschland etwa von 1795 bis 1848.

Auf den ersten Blick handelt es sich um ein Gedicht, das mehrere historische Ereignisse thematisiert: die Übergabe der Städte Stettin, Küstrin, Magdeburg und Hameln an Feinde. Dieser erste Eindruck ist durch eine Mischung aus Kriegs- und Alltagsszenen, die in einer schwärmerisch-antiken Sprache und in einem ironischen Tonfall dargestellt werden, gekennzeichnet.

Inhaltlich berichtet das lyrische Ich über die spezifischen Ereignisse und Figuren, die sich um die Übergabe der vier genannten Städte drehen. Es schafft auf diese Weise ein lebendiges Bild der Umstände und erzählt in Anekdoten von Schwachstellen oder Fehlverhalten der Stadtoberhäupter, die zur Übergabe und somit zur Niederlage führten. Offensichtlich sind diese Überlieferungen mit einer Pointe oder Lektion versehen, die das lyrische Ich vermitteln möchte.

Das Gedicht folgt einer strikten Strophenform, da alle zehn Strophen aus jeweils fünf Versen bestehen können. Darüber hinaus lassen die eingeklammerten Angaben eine analytische Distanz zum Gedicht erkennen, die so typisch ist für die Romantik und ihre Reflexion auf die Kunst selbst. Die Sprache und das Versmaß bedienen sich traditioneller dichterischer Mittel: der Rhythmus ist klar und die Reime sind hauptsächlich Paarreime.

In der Betonung der Naivität oder Feigheit der Stadtoberhäupter und der Volksschichten lässt sich möglicherweise eine politische Aussage Arnims erkennen. Wahrscheinlich nutzt er diese ironisch überzeichneten Geschichten als Kritik an der Macht und den tradierten Autoritätsstrukturen seiner Zeit. Zugleich ist die Rolle des lyrischen Ichs auffällig: Es stellt sich als ironischer Vermittler der Ereignisse dar und nimmt dadurch eine übergeordnete, kommentierende Position ein – ein weiteres typisches Merkmal romantischer Poesie.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die Uebergabe von Stettin, Küstrin, Magdeburg und Hameln“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Achim von Arnim. Im Jahr 1781 wurde Arnim in Berlin geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1806 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Arnim handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine Epoche der Kulturgeschichte, zeitlich anzusiedeln vom späten 18. Jahrhundert bis spät in das 19. Jahrhundert hinein. Auf die Literatur bezogen: von 1795 bis 1848. Sie hatte umfangreiche Auswirkungen auf Literatur, Musik, Philosophie und Kunst jener Zeit. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Die Welt, die sich durch die beginnende Verstädterung und Industrialisierung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls bedeutende Auswirkungen auf die Romantik. Weltflucht, Hinwendung zur Natur, Verklärung des Mittelalters (damalige Kunst und Architektur wurde nun wieder geschätzt), Rückzug in Fantasie- und Traumwelten, Betonung des Individuums und romantische Ironie sind typische Merkmale der Romantik. Die Themen der Romantik zeigen sich in verschiedenen Motiven und Symbolen. Beispielsweise gilt die Blaue Blume als das zentrale Motiv der romantischen Literatur. Sie symbolisiert Sehnsucht und Liebe und verbindet Natur, Mensch und Geist. Die Nacht hat ebenfalls eine besondere Bedeutung in der Romantik. Sie ist der Schauplatz für viele weitere Motive dieser Epoche: Tod, Vergänglichkeit und nicht alltägliche, obskure Phänomene. Im ebenfalls in dieser Epoche zu findenden Spiegelmotiv zeigt sich die Hinwendung der Romantik zum Unheimlichen. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Texten und Gedichten. Phantasie ist für die Romantiker das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Poesie und Wissenschaft, zwischen Traum und Wirklichkeit soll durchbrochen werden. Die Romantiker streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es letztlich, alle Lebensbereiche zu poetisieren.

Das Gedicht besteht aus 50 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 263 Worte. Achim von Arnim ist auch der Autor für Gedichte wie „Schwingeliedchen nach der Sicilischen Melodie“, „Schweizerlied“ und „Flammenruh nach Weisheit streben“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Uebergabe von Stettin, Küstrin, Magdeburg und Hameln“ weitere 173 Gedichte vor.

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