Der Geist des alten Königs (Friedrichs des Großen) von Achim von Arnim

Auf dem Berge ohne Sorgen
Sitzt der große König krank,
Hat mit Müh' den Kopf erhoben,
Sieht zur Sonne hell und klar.
 
Hat die Sonne fast geblendet,
Hat zwei Sonnen im Gesicht,
Und ganz ruhig er da denket:
»Sonne, bin bald näher dir!«
 
Will sein Testament nun machen,
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Findet, daß er gar nichts hab,
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Alles seinen Unterthanen
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Er mit milden Händen gab.
 
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Nur den heil'gen, alten Körper,
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Daß kein Mißbrauch ihn entehr',
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Daß man ihn nicht möchte stören,
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Möcht' er fernen vom Verkehr.
 
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Die mit Liebe an ihm hingen
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Alle Noth mit ihm getheilt,
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Seine Hündlein vor ihm springen,
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Mancher ist voraus geeilt.
 
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In der Näh' sind sie begraben,
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Und er schreibt mit eigner Hand:
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»Unter ihnen sei begraben
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Auch mein Leichnam ohne Pracht.«
 
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»Denn die meine Ältern scheinen,
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Machten mir den ersten Schmerz,
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Die mich zu beerben meinen,
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Erben nicht mein großes Herz.«
 
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Demuthvoll blieb unerfüllet
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Dieses Willens trüber Ernst,
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Ahndung damals schon enthüllte,
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Was die Klugheit nicht entfernt.
 
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Nein, zum großen Erbbegräbniß
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Trägt der Erb' ihn selbst mit Pracht,
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Und es zeiget dies Begegniß,
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Daß er schon ganz anders dacht'.
 
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Aus dem Marmorgrab der Kirche,
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Wo ihn keine Neigung band,
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Kam er oft zurück geirret,
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Zu den Thieren, ihm bekannt.
 
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Schüttelt dann mit seinem Kopfe,
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Drohet mit dem Krückenstock,
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Wenn's nicht alte Weiber logen,
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Denn die glauben an ihn noch.
 
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Einmal wollt' er ruhig schlafen
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In dem engen Kämmerleim,
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Kommen Leute an mit Fackeln,
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Und sie stellen sich da fein.
 
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Kommt ein König und ein Kaiser,
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Eine schöne Königin,
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Sprechen zu einander leiser,
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Reichen sich die Hände hin.
 
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Bald ist Krieg im ganzen Lande,
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Keiner weiß noch recht warum,
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Als die Truppen schon voll Schande
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Laufen um die Erd' herum
 
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Als vom Sarge dieses Helden
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Nimmt ein fremder Held das Schwert.
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Späte Zeiten werden melden,
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Was das heil'ge Schwert einst werth.
 
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Unruhvoll muß er nun wandern
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Mit dem eilend flücht'gen Heer,
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Weil er Stiefeln mußte tragen,
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Wurde ihm das Laufen schwer.
 
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Und von einem zu dem andern
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Gab er seinen besten Rath,
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Aber immer muß er wandern,
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Weil noch keiner danach that.
 
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Gar kein Feldherr wollt' ihn kennen,
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Dieser warf ihn aus dem Haus,
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Dieser wollte mehr noch können,
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Meint, man käm' damit nicht aus.
 
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Endlich kam er zu dem Dichter,
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Doch, weil er französisch sprach;
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Rief er auch den kritschen Richter
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Aus dem schönen Himmel wach.
 
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Doch der sprach von Lesearten,
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Und ich konnt' ihn nicht verstehn,
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Auf die Metrik sollt' ich halten,
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Und der Geist mußt' weiter gehn.
 
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Doch der Kritiker wollt' bleiben,
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Und ich mußte schreiben nun,
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Ach, womit ich nicht kann treiben
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Aus dem Backofen einen Hund!
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Der Geist des alten Königs (Friedrichs des Großen)“

Anzahl Strophen
21
Anzahl Verse
84
Anzahl Wörter
433
Entstehungsjahr
1781 - 1831
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes ist Achim von Arnim, ein bedeutender Dichter der deutschen Romantik, der von 1781 bis 1831 lebte. Sein Gedicht „Der Geist des alten Königs (Friedrichs des Großen)“ entstand wahrscheinlich Anfang des 19. Jahrhunderts.

Auf den ersten Blick ist dieses umfangreiche Gedicht eine Auseinandersetzung mit dem Geist des deutschen Monarchen Friedrich des Großen. Der alternde König wird auf einem Berg sitzend dargestellt, anscheinend dem Tod nahe und in tiefe Gedanken versunken.

Das Gedicht erzählt, dass Friedrich, obwohl er kurz vor seinem Tod steht, feststellen muss, dass er nichts besitzt, da er alles seinen Untertanen gegeben hat. Er denkt über sein Begräbnis nach und wünscht, dass sein Leichnam ohne Pracht begraben wird und an einen Ort, der ihm vertraut ist. Den nachfolgenden Generationen, die ihn beerben wollen, hinterlässt er nichts weiter als sein großes Herz.

Die Sprache und Form des Gedichts sind charakteristisch für Arnims romantische Poesie. Das Gedicht besteht aus 21 Strophen zu je vier Versen und ist in einem einfachen, klaren Stil gehalten. Durch die Verwendung einfacher Worte und kurzer Sätze schafft Arnim eine Atmosphäre der Ruhe und Besonnenheit, die den Ernst der Thematik unterstreicht.

Das Gedicht bietet eine kritische Betrachtung des Themas Tod und Erbe. Es stellt den König als Gestalt dar, die im Angesicht des Todes erkennt, dass materieller Besitz vergänglich ist und wahre Werte im Herzen und im menschlichen Mitgefühl liegen.

Im weiteren Verlauf des Gedichts beschreibt Arnim, wie Friedrichs Geist nach seinem Tod umherwandert und sich nach Ruhe sehnt. Doch statt Ruhe findet er Krieg und Missverständnisse. Diese Passagen könnten als Metapher für die politischen Veränderungen und Konflikte in Deutschland nach Friedrichs Tod interpretiert werden.

Insgesamt ist Arnims Gedicht eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den Themen Tod, Erbe und die Vergänglichkeit von Macht und materiellem Besitz. Es bietet eine melancholische, aber auch kritische Sicht auf den Umgang mit diesen Themen in der modernen Gesellschaft.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der Geist des alten Königs (Friedrichs des Großen)“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Achim von Arnim. 1781 wurde Arnim in Berlin geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1797 und 1831. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Arnim ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik äußerte. Aber auch die Gebiete Geschichte, Philosophie und Theologie sowie Medizin und Naturwissenschaften waren von ihren Auswirkungen betroffen. Die Literaturepoche der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Schriftsteller der Romantik in Auflösung begriffen. Weltflucht, Hinwendung zur Natur, Verklärung des Mittelalters (damalige Kunst und Architektur wurde nun wieder geschätzt), Rückzug in Fantasie- und Traumwelten, Betonung des Individuums und romantische Ironie sind typische Merkmale der Romantik. Die Themen der Romantik zeigen sich in verschiedenen Motiven und Symbolen. Beispielsweise gilt die Blaue Blume als das zentrale Motiv der romantischen Literatur. Sie symbolisiert Liebe und Sehnsucht und verbindet Natur, Mensch und Geist. Die Nacht hat ebenfalls eine besondere Bedeutung in der Romantik. Sie ist der Schauplatz für zahlreiche weitere Motive dieser Epoche: Vergänglichkeit, Tod und nicht alltägliche, obskure Phänomene. Im ebenfalls in dieser Epoche zu findenden Spiegelmotiv zeigt sich die Hinwendung der Romantik zum Unheimlichen. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und Klarheit der Gedanken, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unbegrenzt. Zwar baut sie dabei auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.

Das 433 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 84 Versen mit insgesamt 21 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Achim von Arnim sind „Der Weber und die Spinnerin“, „Bibliothek“ und „Zur Weihnachtszeit“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Geist des alten Königs (Friedrichs des Großen)“ weitere 173 Gedichte vor.

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