Das Kreuz von Achim von Arnim

Viel Knaben und Mädlein im Laufe hinauf,
Am Berge wie Lerchen,
Sie singen: Nun ringelt den Rosenkranz
Auf Maien, in Reihen, im Morgenglanz.
 
Die Mädlein bringen mit Rosen im Schoos,
Zum Binden und Winden;
Sie binden und winden den Rosenglanz,
Zusammen sie stecken mit Dornen den Kranz.
 
Die Knaben bezwingen die Maien mit Schrein,
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Sie brechen und flechten
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Die Äste zum Kreuze im Sonnenglanz,
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Sie hängen darauf auch den Rosenkranz.
 
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Von Knaben und Mädlein der Wald erschallt,
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Sie reichen mit Schreien,
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Ja Ringel, Ringel, Rosenkranz,
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Sie singen und tanzen im Morgenglanz.
 
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Da sehet die Kreuze auf Höhen hell stehn,
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Zum Freuen an Maien:
19 
Die Knaben und Mädlein auf Rasen grün,
20 
Sie ringeln und reihen, sich niederziehn.
 
21 
Ein Ritter sie schauet, die Brust voll Lust,
22 
Sie lobt und gelobet
23 
Zu bauen ein Kloster dem Rosenkranz,
24 
Da sollten sie beten bei Ampelnglanz.
 
25 
»Ein Kreuz in die Welt zu hauen, ja schaut,
26 
Mein Schwert es euch lehrt.
27 
In östlichem, westlichen, sonnigen Glanz,
28 
Darum ich es hier in die Erde euch pflanz.«
 
29 
»Das wurzelt und treibet wie balde zum Wald,
30 
Es glühet und blühet,
31 
Die Rosen umsprossen die Scheide mit Glanz.
32 
Sie knüpfen am Hefte den ewigen Kranz.«
 
33 
Die Knaben darauf es so schöne ansehn,
34 
Sie sagen und klagen:
35 
»Das blühet ja nimmer in Rosenglanz,
36 
Wir sehn nur vier Spitzen und blutigen Glanz.«
 
37 
Der Ritter will tanzen, der Stahl zur Qual
38 
Drückt nieder die Glieder:
39 
Die Kinder, sie singen zum Rosenkranz,
40 
Du steifer Geselle bleib weg von dem Tanz.
 
41 
Ein Weiser das Kreuz von ferne sieht gern,
42 
Er lehret: »Ja höret!«
43 
Vier Temperamente und Element,
44 
Sie zeigen sich klar in vier Kreuzesend.
 
45 
Die Kinder sich halten, sie lachen der Sachen,
46 
Sie springen und singen:
47 
»Dein Mantel, der hat doch vier Zipfeln ich mein',
48 
Gieb uns nur den Mantel, die Zipfeln sind dein.«
 
49 
Der Ritter, er geht an die Quelle gar schnell,
50 
Und schüttelt und rüttelt;
51 
Da fallen die eisernen Schienen hinein,
52 
Gesund wird der Brunnen den Kranken allein.
 
53 
Der Weise den Mantel aufschürzet und kürzet,
54 
Die Falten zu halten,
55 
Er trinket erst frisch aus dem Brunnenglanz,
56 
Wird frisch und gesund zu dem Rosentanz.
 
57 
Der Ritter, der Weise, sie springen und singen
58 
Mit Kindern geschwinde.
59 
Ja Ringel, Ringel, Rosenkranz,
60 
Sie tanzen nun mit in dem Morgenglanz.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29.1 KB)

Details zum Gedicht „Das Kreuz“

Anzahl Strophen
15
Anzahl Verse
60
Anzahl Wörter
371
Entstehungsjahr
1781 - 1831
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Kreuz“ ist von Achim von Arnim, einem Dichter und Schriftsteller der Romantik. Er lebte von 1781 bis 1831, das Gedicht könnte also in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden sein.

Beim ersten Lesen erweckt das Gedicht den Eindruck eines fröhlichen Gemeinschaftserlebnisses junger Menschen in einer naturbelassenen Umgebung. Es ist geprägt von Lebendigkeit, Aktivität und Euphorie.

Im Inhalt begleiten wir eine Gruppe von Jungen und Mädchen bei einem Frühlingsritual. Sie pflücken Rosen, binden einen Rosenkranz und hängen ihn an ein Kreuz, das sie aus Maien (jungen Baumzweigen) gebunden haben. Sie singen, tanzen und freuen sich an dem anbrechenden Tag. Ein Ritter und ein Weiser treten in die Szene ein. Der Ritter verspricht, ein Kloster zu bauen für den Rosenkranz und er zieht Parallelen zwischen seinem Schwert und dem Kreuz. Der Weise wiederum sieht im Kreuz die vier Elemente und Temperamente repräsentiert. Beide erfahren jedoch von den Kindern, dass diese Symbole für sie nicht von Bedeutung sind. Es folgt eine Wandlung, bei der der Ritter sein Schwert ablegt und der Weise seinen Mantel teilt. Sie tanzen mit den Kindern und werden Teil der Gemeinschaft.

In der Aussage des Gedichts könnte es um eine Kritik an einer zu formalen, zu starren und nicht lebendigen Ausübung der Religion gehen, welcher die Freude am Dasein, die Lebendigkeit und das Gemeinschaftserlebnis fehlt.

Das Gedicht ist strukturiert in 15 vierzeilige Strophen. Jede Strophe hat ein einheitliches Versmaß und Reimschema (Kreuzreim), was den Eindruck von Ordnung und Gleichmäßigkeit erzeugt. Die Sprache ist bildreich und ausdrucksstark, geprägt von wiederkehrenden Formulierungen („Ringel, Ringel, Rosenkranz“), die das Gemeinschaftserlebnis und die Fröhlichkeit der Gruppe betonen. Es ist eine Sprache der Natur und der Bewegung - es wird gesungen, getanzt, gerungen, Geflechte gebunden und Rosen gepflückt. Auch die Rollen des Ritters und des Weisen werden bildhaft und klar dargestellt. Überhaupt ist das gesamte Geschehen sehr visual und damit vorstellbar. Symbolik und Metaphorik sind wichtige Stilmittel in diesem Gedicht. Arnim nutzt die Symbole des Kreuzes, des Rosenkranzes, der Maien, des Schwertes und des Mantels als Metaphern für religiöse, gesellschaftliche und individuelle Zustände und Veränderungen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Das Kreuz“ des Autors Achim von Arnim. 1781 wurde Arnim in Berlin geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1797 bis 1831 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Arnim ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik war eine Epoche der europäischen Literatur, Kunst und Kultur. Sie begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts und dauerte in der Literatur bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Die Romantik entstand in Folge politischer Krisen und gesellschaftlicher Umbrüche. Im gesamten Europa fand ein Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft statt. Gleichermaßen bildete sich ein bürgerliches Selbstbewusstsein heraus. Technologischer Fortschritt und Industrialisierung sind prägend für diese Zeit. In der Literatur der Romantik gilt das Mittelalter als das Ideal und wird verherrlicht. Die Kunst und Architektur der Zeit des Mittelalters werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Missstände dieser Zeit bleiben außen vor und scheinen bei den Schriftstellern in Vergessenheit geraten zu sein. So ist die Verklärung des Mittelalters ein zentrales Merkmal der Romantik. Des Weiteren sind die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur und die romantische Ironie weitere zentrale Merkmale dieser Epoche. Die Grundthemen waren Seele, Gefühle, Individualität und Leidenschaft. In der Literatur wurden diese Themen unter anderem durch Motive der Sehnsucht, Todessehnsucht, Fernweh oder Einsamkeit in der Fremde materialisiert. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über die Form als auch über den Inhalt des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die festen Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken fällt auf.

Das 371 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 60 Versen mit insgesamt 15 Strophen. Die Gedichte „Zum Abschiede“, „Der Weber und die Spinnerin“ und „Bibliothek“ sind weitere Werke des Autors Achim von Arnim. Zum Autor des Gedichtes „Das Kreuz“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 173 Gedichte vor.

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