Der Jägersmann von Achim von Arnim

Nicht schießen soll der Jägersmann,
Er soll das Wild nun schonen,
Er giebt es Stück für Stück euch an,
Wie viel im Walde wohnen.
 
Vor niemand scheuet sich das Wild,
Sich gegen Bauern wehret,
Der zahme Bauer leise schilt,
Wenn es die Saat verzehret.
 
Verzehrt die Saat kein Hochgewild,
10 
Das Jagdroß tritt sie nieder,
11 
Der Fürst, der wenn es Hetzen gilt
12 
Nicht schont die eignen Glieder.
 
13 
Und ist der Hirsch so lendenlahm
14 
Als wie die armen Bauern,
15 
Da sieht ihn weinen eine Dam'
16 
Und muß ihn sehr bedauern.
 
17 
Das Leben wird ihm dann geschenkt,
18 
Die weiche Dam' gepriesen,
19 
Der Bauer endlich todt ihn denkt,
20 
Sieht wieder ihn auf Wiesen.
 
21 
Er schöß' ihn gern, hat kein Gewehr,
22 
Der Fürst hat es genommen,
23 
Auf sich genommen aller Ehr',
24 
Und so ist sie verkommen.
 
25 
Er denkt, er hat ein großes Heer,
26 
Doch wenn einst Feinde kommen,
27 
Sie schießen in den Wind so leer,
28 
Der Schuß macht sie beklommen.
 
29 
Der Jäger hat darum nicht Rast,
30 
Hat Nachts den Wald durchkrochen,
31 
Daß er den Dieb gleich find' und faßt,
32 
Der Holz im Wald gebrochen.
 
33 
Die Luft ist dünn und schallet kaum,
34 
An Sternen ist ein Flimmern,
35 
Als fielen sie, der Erde Saum
36 
Ist roth und Rädlein schimmern.
 
37 
Es borst der Baum wohl in dem Forst,
38 
Laß Jäger, laß dein Schleichen,
39 
Die Noth nur suchet da sich Trost,
40 
Wo Wild muß heulend weichen.
 
41 
Ein armes altes Weib er sah,
42 
Sie kriecht mit Reis vorüber,
43 
Der Frost ist ihm dem Marke nah,
44 
Er schlägt die Händ' querüber.
 
45 
Nun nimmt er ab, als er nun warm,
46 
Das Bündlein Reis mit Tücken,
47 
Und schlägt sie noch, daß Gott erbarm'
48 
Gar schmählig auf den Rücken.
 
49 
Sie flucht: »So werde nimmer warm,
50 
Ein ew'ger Frost dich kälte,
51 
Ich bin nicht alt, ich schein' nur arm,
52 
Und so das Feuer gelte.«
 
53 
Er kehrt nach Hause zum Kamin,
54 
Ein reiches Feuer findet,
55 
Verbrennt den Bündel noch darin,
56 
Der Fluch das Feuer bindet.
 
57 
Die Flammen wenden sich von ihm
58 
Wie von dem wilden Winde,
59 
Sie brennen ihn, sie schmerzen ihm,
60 
Und kälten ihn geschwinde.
 
61 
Er starrt, die Sonn' beeiset ihn,
62 
Die Federn ihn beschneien,
63 
Der rasche Tanz durchzittert ihn,
64 
Sein Weib muß bei ihm weinen.
 
65 
Der Kirche Anblick macht ihn kalt,
66 
Des Pred'gers Wort durchschauert,
67 
So ward er jung schon weiß und alt,
68 
Von keinem dann betrauert.
 
69 
Die Sklaven machen den Tyrann,
70 
Er kann nicht Sklaven schaffen,
71 
Wo jeder Bürger fest als Mann,
72 
Wer soll da einen strafen.
 
73 
Da ist der Arme nimmermehr
74 
Wie Sünder eingefangen,
75 
Es ist des reichen Bürgers Ehr',
76 
Sie gastlich zu empfangen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29.9 KB)

Details zum Gedicht „Der Jägersmann“

Anzahl Strophen
19
Anzahl Verse
76
Anzahl Wörter
422
Entstehungsjahr
1781 - 1831
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Jägersmann“ wurde von Achim von Arnim verfasst, einem deutschen Dichter, der von 1781 bis 1831 lebte. Arnold gehört zur literarischen Epoche der Romantik.

Beim ersten Lesen entsteht der Eindruck, dass das Gedicht sowohl Tier- als auch Menschenleben thematisiert und die hierarchischen Strukturen und ihre Folgen in der damaligen Gesellschaft kritisiert.

Im Inhalt des Gedichts geht es um einen Jäger, der von seinem Fürsten angewiesen wird, das Wild zu schonen. Der Jäger ist unzufrieden mit dieser Anweisung, da das Wild die Felder der Bauern zerstört und diese nichts dagegen tun können. Die Unzufriedenheit des lyrischen Ichs entsteht durch die Ungerechtigkeit, dass der Fürst das Wild schützt, das aber gleichzeitig die Existenzgrundlage der Bauern bedroht. Der Jäger wirkt am Ende des Gedichts verbittert und alt. Das Gedicht endet schließlich mit einem Ruf nach Bürgerrechten und Gerechtigkeit.

Die Form des Gedichts lässt sich als Ballade erkennen. Dies zeigt sich in den für Balladen typischen Wechseln zwischen Erzählung, Dialog und dramatischen Handlungen. Die Sprache des Gedichts ist typisch für die Romantikepoche. Sie zeigt eine hohe eindringliche bildsprachliche und symbolträchtige Ausdruckskraft. Die Verse sind in einem gleichmäßigen Rhythmus verfasst, es gibt keine auffällig unregelmäßigen Metren oder Brüche im Versmaß.

Insgesamt interpretiere ich das Gedicht so, dass es als eine Kritik an der hierarchischen, ungerechten Gesellschaftsordnung zur Zeit des Autors gelesen werden kann und zugleich ein Aufruf für mehr Bürgerrechte und einen fairen Umgang mit der Natur ist. Es zeigt einen Jäger, der zwischen den Anforderungen seiner Herrschaft und den Bedürfnissen der einfachen Leute, der Bauern, hin- und hergerissen ist. Er ist selbst Sklave der Hierarchie und wird als solcher vorgeführt, um die Notwendigkeit von sozialen Veränderungen aufzuzeigen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der Jägersmann“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Achim von Arnim. Arnim wurde im Jahr 1781 in Berlin geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1797 und 1831. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Romantik zu. Arnim ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik war eine Epoche der europäischen Literatur, Kunst und Kultur. Sie begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts und dauerte in der Literatur bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Literaturepoche der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Romantiker in Auflösung begriffen. Bedeutende Motive in der Lyrik der Romantik sind die Ferne und Sehnsucht sowie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Weitere Motive sind das Fernweh, die Todessehnsucht oder das Nachtmotiv. So symbolisierte die Nacht nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Geheimnisvolle, Mysteriöse und galt als Quelle der Liebe. Typische Merkmale der Romantik sind die Hinwendung zur Natur, die Weltflucht oder der Rückzug in Traumwelten. Insbesondere ist aber auch die Idealisierung des Mittelalters aufzuzeigen. Architektur und Kunst des Mittelalters wurden von den Romantikern wieder geschätzt. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und Klarheit der Gedanken, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unendlich. Dabei baut sie zwar auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.

Das 422 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 76 Versen mit insgesamt 19 Strophen. Der Dichter Achim von Arnim ist auch der Autor für Gedichte wie „Bibliothek“, „Zur Weihnachtszeit“ und „Schwingeliedchen nach der Sicilischen Melodie“. Zum Autor des Gedichtes „Der Jägersmann“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 173 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Achim von Arnim

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Achim von Arnim und seinem Gedicht „Der Jägersmann“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Achim von Arnim (Infos zum Autor)

Zum Autor Achim von Arnim sind auf abi-pur.de 173 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.