Der Fürst mit dem wunderbaren Saitenspiele von Achim von Arnim

Der Fürst ging in den Garten
Mit seinem Saitenspiel,
Und aller Augen warten,
Der schönen Blumen viel;
Er ging vor sich spazieren
Und sang bald dies, bald das,
Und konnt' sie alle rühren,
Die Augen wurden naß.
 
»Das Nest ist ausgenommen.
10 
Der Adler mußte fliehn,
11 
So weit ist es gekommen,
12 
Und ich muß weiter ziehn.«
13 
Die Bäume ließen fallen
14 
Der süßen Früchte viel,
15 
Es mußte wohl gefallen
16 
Das edle Saitenspiel.
 
17 
»Kein Glück, das ewig währet,
18 
Kein Thau am Mittag liegt,
19 
Der Becher wird geleeret,
20 
Der hellste Ton verfliegt.«
21 
Rings sammeln sich so viele
22 
Der Vögel allgemach,
23 
Auf jedem Blätterstiele
24 
Saß einer, sang ihm nach.
 
25 
»Ihr Vögel könnt wohl spielen,
26 
Ihr habt kein Vaterland,
27 
Was würdet ihr nicht fühlen,
28 
Wenn euer Nest in Brand.«
29 
Ein Vogel kommt mit Springen
30 
Und springt ins Saitenspiel,
31 
Er sinkt hinein mit Singen,
32 
Wer das kann, hat noch viel.
 
33 
»Mein Vogel sitzt im Boden,
34 
Des regen Saitenspiels,
35 
Es hebet sich dein Odem
36 
Voll ähnlichen Gefühls.«
37 
Er singt durch's Saitengitter:
38 
»Ich ruhe wie im Nest,
39 
Hoch über ein Gewitter
40 
Durchzittert alle Äst'.«
 
41 
»Wo ist der Hirt der Heerde,
42 
Die Heerde irrt herum,
43 
Und jegliche Beschwerde
44 
Trüg' sie doch gern darum.«
45 
Die Heerde hört ihn singen,
46 
Der Glocken klingen viel,
47 
Doch all' zusammen klingen,
48 
Just wie das Saitenspiel.
 
49 
»O leichte Kunst Regieren,
50 
Zieht andre Saiten auf,
51 
Der Scepter muß sie führen,
52 
Blies er als Pfeife drauf.«
53 
Die jungen Lämmer tanzen
54 
Nach seinem Pfeifen gleich,
55 
So geht die Welt im Ganzen
56 
Und auch im größten Reich.
 
57 
Der Fürst ließ gern ihn singen,
58 
Den Vogel nimmt mit fort,
59 
Das Herz wollt ihm zerspringen,
60 
Ihn sah kein andrer dort.
61 
Dort strömen seine Klagen
62 
Gleich wie ein schneller Bach,
63 
Die raschen Wellen jagen
64 
Und ziehn das Grün sich nach.
 
65 
»Mein Sohn liegt krank darnieder
66 
Von dieser harten Flucht,
67 
Hab' ich mein Kind nur wieder,
68 
So hab' ich, was ich sucht.«
69 
Da klang das Echo wieder:
70 
»Wenn du mich hast besucht,
71 
Nichts schlüge dich mehr nieder,
72 
Die Krankheit schlag' in Flucht.«
 
73 
»Schlag' an die Schmerzenstöne,
74 
Was nur dein Herz beschwert,
75 
Das athmet all versöhnet
76 
Vom hohen Opferheerd;
77 
Recht wie ein Opfer flammet
78 
Zum Himmel für den Sohn,
79 
Dein Lied der Brust entstammet
80 
Und dringet leicht zum Thron.«
 
81 
»Das könnt ihr schönen Töne,
82 
So ruft der Wiederhall,
83 
Das kann auch mich versöhnen,
84 
Daß ich ein bloßer Schall!«
85 
Der Sohn kam da gegangen
86 
In seinem Krankenkleid,
87 
Das Fieber war vergangen,
88 
Er spielte neu in Freud.
 
89 
Die Fürstin kam ganz leise,
90 
Umfaßte beide mild,
91 
Der Wald sang eine Weise,
92 
Als wär's ein Wunderbild
93 
So muß es immer bleiben
94 
Hier sei ein Stillestand,
95 
Wer will die Zeit vertreiben,
96 
Die all dies Glück gesandt.
 
97 
Ein Bote kommt gegangen:
98 
»Dich höret unser Feind,
99 
Vom süßen Ton befangen
100 
Und gar kein Schwert erscheint.«
101 
Da ward im Volk ein Singen.
102 
Ein Rufen, lebet hoch,
103 
Daß alle Saiten klingen,
104 
Die Ohren klingen noch.
 
105 
Sie klingen nicht von Schwänen,
106 
Nein, wie die Äolsharf,
107 
Bald freudig bis zu Thränen,
108 
Wie es das Herz bedarf.
109 
Kein Sturm kann sie zersprengen,
110 
Ihr Ton ist nie zu schwach,
111 
Der Sturm weicht den Gesängen,
112 
Die tief im Ohre wach.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (32.9 KB)

Details zum Gedicht „Der Fürst mit dem wunderbaren Saitenspiele“

Anzahl Strophen
14
Anzahl Verse
112
Anzahl Wörter
511
Entstehungsjahr
1781 - 1831
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht ist von Achim von Arnim, einem der bedeutendsten Vertreter der Romantik, der von 1781 bis 1831 lebte.

In dem Gedicht „Der Fürst mit dem wunderbaren Saitenspiele“ wird ein lyrisches Ich portraitiert, das vermutlich ein Fürst ist. Dieser spielt in seinem Garten ein Saiteninstrument und kann mit seinem Spiel und Gesang sowohl Mensch wie Tier bewegen. Die Worte, die er singt, scheinen auf unterschiedliche Lebenserfahrungen und Weisheiten hinzuweisen. Der Gesang bewegt so sehr, dass sogar ein Vogel in das Saitenspiel springt und darin anfängt zu singen. Das Lied des Vogels behandelt das Thema Verlust und Zuflucht und scheint auch auf Ereignisse im Leben des Fürsten hinzudeuten.

Das Gedicht endet damit, dass der Gesang des Fürsten Feinde abwehrt und alle Leute im Land dazu veranlasst, zu singen. Die Stärke des Gesangs scheint alle Probleme zu überwinden und sogar Stürme zu besänftigen.

Das soziale Ansehen des Fürsten, seine musikalischen Talente und die Fähigkeit, andere zu bewegen, könnten als Metapher für die Eigenschaften eines idealen Herrschers gesehen werden. Die Musik und der Gesang werden in diesem Gedicht auch als eine Metapher verwendet, um Themen wie Macht, Verlust, Hoffnung und Gemeinschaft zu erforschen.

In Bezug auf die Form besteht das Gedicht aus vierzehn Strophen, die jeweils acht Verse haben. Die Sprache ist recht einfach und klar, ohne den Gebrauch von komplexen Metaphern oder abstrakten Konzepten. Jede Strophe erzählt eine bestimmte Episode oder Geschichte innerhalb des Gesamtgedichts, wodurch ein gefühlvolles und reiches Narrativ entsteht.

Das Gedicht weist auch starke rhythmische Muster auf, die dem Inhalt und der Stimmung entsprechen und beim Lesen eine melodiöse und einnehmende Qualität erzeugen. Die wiederholte Verwendung von Worten und Phrasen wie „Saitenspiel“, „Gesang“ und „Vogel“ erzeugen einen Bindungseffekt und unterstreichen wichtige Themen und Motive im Gedicht. Durch dieses detaillierte und sorgfältige Konstrukt skizziert von Arnim ein komplexes Bild eines idealen Herrschers und setzt die erzählende Kraft der Musik und der Sprache ein, um eine Vielzahl von Gefühlen und Erfahrungen auszudrücken.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Fürst mit dem wunderbaren Saitenspiele“ des Autors Achim von Arnim. Arnim wurde im Jahr 1781 in Berlin geboren. Im Zeitraum zwischen 1797 und 1831 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Arnim ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Als Romantik wird die Epoche der Kunstgeschichte bezeichnet, deren Ausprägungen sich sowohl in der Literatur, Kunst und Musik als auch in der Philosophie niederschlugen. Die Epoche der Romantik lässt sich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert verorten. Die literarische Romantik kann darauf aufbauend etwa auf die Jahre 1795 bis 1848 datiert werden. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Die Zeit der Romantik war für die Menschen in Europa von Umbrüchen geprägt. Die Französische Revolution (beginnend im Jahr 1789) zog weitreichende Folgen für ganz Europa nach sich. Auch der Fortschritt in Wissenschaft und Technik, der den Beginn des industriellen Zeitalters einläutete, verunsicherte die Menschen und prägte die Gesellschaft. In der Literatur der Romantik gilt das Mittelalter als das Ideal und wird verherrlicht. Die Kunst und Architektur der Zeit des Mittelalters werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Übel und Missstände dieser Zeit bleiben außen vor und scheinen bei den Schriftstellern in Vergessenheit geraten zu sein. So ist die Verklärung des Mittelalters ein zentrales Merkmal der Romantik. Des Weiteren sind die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur und die romantische Ironie weitere zentrale Merkmale dieser Epoche. Die grundsätzlichen Themen der Epoche waren Seele, Gefühle, Individualität und Leidenschaft. In der Literatur wurden diese Themen unter anderem durch Motive der Sehnsucht, Todessehnsucht, Fernweh oder Einsamkeit in der Fremde manifestiert. Die Stilepoche kennzeichnet sich vor allem durch offene Formen in Gedichten und Texten. Phantasie ist für die Schriftsteller der Romantik das Maß aller Dinge. Die Trennung zwischen Poesie und Wissenschaft, zwischen Traum und Wirklichkeit soll durchbrochen werden. Die Schriftsteller der Romantik streben eine Verschmelzung von Kunst und Literatur an. Ihr Ziel ist es letztlich, alle Lebensbereiche zu poetisieren.

Das Gedicht besteht aus 112 Versen mit insgesamt 14 Strophen und umfasst dabei 511 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Achim von Arnim sind „Zum Abschiede“, „Der Weber und die Spinnerin“ und „Bibliothek“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Fürst mit dem wunderbaren Saitenspiele“ weitere 173 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Achim von Arnim

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Achim von Arnim und seinem Gedicht „Der Fürst mit dem wunderbaren Saitenspiele“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Achim von Arnim (Infos zum Autor)

Zum Autor Achim von Arnim sind auf abi-pur.de 173 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.